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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Helen mochte noch gar nicht daran denken, wie sie Howard das schmackhaft machen sollte. Obendrein war auch kein Geld fürs Studium da; Ruben würde George Greenwoods großzügige Hilfe annehmen müssen – zumindest bevor er sich so weit auszeichnen konnte, dass er ein Stipendium gewann. Doch ein Studium in Dunedin würde Ruben und Fleurette vorerst trennen. Helen erkannte die offensichtliche Verliebtheit der beiden ebenso klar wie Marama und hatte auch schon mit Gwyn darüber gesprochen. Grundsätzlich hatten die Mütter nichts gegen die Verbindung der beiden einzuwenden, aber natürlich fürchteten sie die Reaktionen Wardens und O’Keefes und waren sich außerdem einig, dass die Sache noch ein paar Jahre Zeit habe. Ruben war gerade siebzehn, Fleur noch nicht ganz sechzehn. Helen und Gwyn empfanden das einvernehmlich als zu jung, um sich fest zu binden.
    Ruben half Fleurette, ihre Stute wieder mit dem Sattel zu versehen, den sie vorher abgenommen hatten, um zusammenreiten zu können. Er küsste sie verstohlen, bevor sie aufstieg.
    »Bis morgen, ich liebe dich!«, sagte er leise.
    »Nur bis morgen?«, entgegnete sie lachend.
    »Nein, bis zum Himmel. Und noch ein paar Sterne weiter!« Rubens Hand streifte sanft die ihre, und Fleurette lächelte strahlend, als sie vom Hof ritt. Ruben sah ihr nach, bis der letzte Schimmer ihres rotgoldenen Haars und des ebenso leuchtenden Schweifs ihrer Rotschimmelstute mit dem Abendlicht verschmolzen war. Erst Helens Stimme weckte ihn aus seiner Versunkenheit.
    »Nun komm, Ruben, der Zaun steht nicht von allein wieder auf. Wir wollen doch fertig werden, bis dein Vater nach Hause kommt!«

    Fleurette trieb ihr Pferd zu einer flotten Gangart an und wäre fast pünktlich zum Essen auf Kiward Station gewesen. Aber dann traf sie niemanden in den Ställen an, dem sie Minette zum Abwarten übergeben konnte, und musste es folglich selbst tun. Als die Stute abgerieben, getränkt und mit Futter versorgt im Stall stand, war der erste Gang sicher schon aufgetischt. Fleurette seufzte. Natürlich konnte sie heimlich ins Haus schleichen und das Abendessen ganz schwänzen. Sie fürchtete allerdings, dass Paul sie beobachtet hatte, als sie auf den Hof geritten war: Hinter seinem Fenster war eine Bewegung zu sehen gewesen, und er würde sie bestimmt verraten. Also stellte Fleur sich dem Unvermeidlichen. Immerhin würde sie etwas zu essen bekommen. Nach dem Tag im Hochland war sie halb verhungert. Sie beschloss, die Sache optimistisch anzugehen, und setzte ein strahlendes Lächeln auf, als sie das Esszimmer betrat.
    »Guten Abend, Großvater, guten Abend, Mummy! Ich bin ein klitzekleines bisschen zu spät heute, weil ich mich ein klitzekleines bisschen mit der Zeit verschätzt habe, als ... äh, als ...«
    Zu dumm, so schnell wollte ihr keine Ausrede einfallen. Dabei konnte sie Gerald unmöglich sagen, dass sie den Tag damit verbracht hatte, Howard O’Keefes Schafe einzutreiben.
    »Als du deinem Liebsten geholfen hast, Schafe zu jagen?«, fragte Paul mit sardonischem Ausdruck.
    Gwyneira fuhr auf. »Paul, was soll das denn? Musst du deine Schwester immer ärgern?«
    »Hast du nun oder hast du nicht?«, fragte Paul frech.
    Fleurette wurde rot. »Ich ...«
    »Mit wem hast du Schafe gejagt?«, erkundigte sich Gerald. Er war ziemlich betrunken. Vielleicht hätte er Fleur gar keine besondere Szene gemacht, doch ein Teil von Pauls Bemerkungen drang nun doch zu ihm durch.
    »Mit ... äh, mit Ruben. Ihm und Miss Helen waren ein paar Widder ausgekommen und ...«
    »Ihm und seinem sauberen Vater, meinst du wohl!«, höhnte Gerald. »Ist ja wieder typisch für den alten Howard, dass er zu blöde oder zu geizig ist, seine Viecher einzusperren. Und das feine Söhnchen muss ein Mädchen bitten, ihm beim Viehtreiben zu helfen ...«
    Der alte Mann lachte.
    Paul runzelte die Stirn. Das hier lief gar nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.
    »Fleur treibt es mit Ruben!«, platzte er heraus und erntete zunächst ein paar Sekunden fassungsloses Schweigen.
    Dann reagierte wieder zuerst Gwyneira. »Paul, woher hast du nur solche Ausdrücke! Du entschuldigst dich jetzt sofort, und ...«
    »Mo... Moment!« Gerald unterbrach sie mit unsicherer, aber lauter Stimme. »Wa... was sagt der Junge? Sie ... treibt es ... mit dem O’Keefe-Jungen?«
    Gwyneira hoffte, dass Fleurette jetzt einfach leugnen würde, aber man brauchte das Mädchen nur anzusehen, um zu erkennen, dass an Pauls bösartiger Behauptung zumindest etwas Wahres

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