Im Land Der Weissen Wolke
Zorn. Das alles zerrte an ihren Nerven. Und dann war da auch noch Paul, der sich zu ihnen gesellt hatte und ihren Ausbruch aufmerksam verfolgte.
Sideblossom lachte. »Touché, meine Liebe! Eine kleine Strafaktion. Ich mag es nicht, wenn man mir nicht gehorcht. Aber warten Sie ab. Ich werde Ihre Kleine schon noch kriegen. Wenn wir zurück sind, werde ich die Werbung fortsetzen. Auch gegen Ihren Willen, Lady!«
Gwyneira wollte dieses Gespräch nur noch beenden. »Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg«, sagte sie steif. »Und du, Paul, kommst jetzt bitte mit mir nach oben. Ich hasse es, wenn du hinter mir herschleichst und lauschst!«
Der Junge fuhr zusammen. Aber was er hier gehört hatte, war den Anpfiff wert gewesen. Vielleicht war Gerald gar nicht der richtige Ansprechpartner für die Sache mit Fleurette. Es würde ihr viel mehr wehtun, wenn dieser Mann ihren »Pferdediebstahl« vereitelte.
Während Gwyneira sich in ihre Räume zurückzog, machte Paul auf dem Absatz kehrt und suchte John Sideblossom. Der Farmer schien sich in der Gesellschaft der anderen zunehmend zu langweilen. Kein Wunder – außer ihm waren inzwischen alle volltrunken.
»Sie ... wollen meine Schwester heiraten?«, sprach Paul ihn an.
Sideblossom schaute verwundert zu ihm hinunter.
»Ich hab die Absicht, ja. Noch jemand, der was dagegen einzuwenden hat?«, fragte er leicht belustigt.
Paul schüttelte den Kopf. »Von mir aus können Sie sie haben. Aber Sie sollten etwas über sie wissen. Fleurette tut immer so lieb. Aber tatsächlich hatte sie schon einen Freund. Ruben O’Keefe.«
Sideblossom nickte. »Ich weiß«, sagte er desinteressiert.
»Aber sie hat Ihnen nicht alles gesagt!«, trumpfte Paul auf. »Sie hat Ihnen nicht gesagt, dass sie es mit ihm getrieben hat! Aber ich hab’s gesehen!«
Sideblossoms Interesse erwachte. »Was sagt du da? Deine Schwester ist keine Jungfrau mehr?«
Paul zuckte die Achseln. Der Begriff »Jungfrau«, sagte ihm nichts.
»Fragen Sie sie selbst«, sagte er. »Sie ist in der Scheune!«
John Sideblossom fand Fleurette in der Box der Stute Niniane, wo das Mädchen sich gerade fragte, was sie jetzt am besten tun sollte. Niniane einfach ins Freie jagen? Dann bestand die Gefahr, dass sie gar nicht vom Stall weglief, sondern in der Nähe der anderen Pferde blieb. Vielleicht war es besser, sie wegzureiten und auf einer entfernteren Koppel unterzubringen. Das erschien Fleurette allerdings recht gewagt. Schließlich musste sie dann zu Fuß zurückkommen, vorbei an allen Nebengebäuden, die mit den betrunkenen Männern des Suchtrupps voll gestopft waren.
Während sie noch überlegte, kraulte sie das Pferd unter dem Stirnschopf und redete mit ihm. Die anderen Pferde regten sich, und Gracie schnüffelte im Stroh. Bei all dem entging Fleurette, dass jemand leise die Tür öffnete. Als Gracie aufmerksam wurde und anschlug, war es zu spät. John Sideblossom stand in der Stallgasse und grinste Fleurette an.
»Soso, meine Kleine. Nachts drücken wir uns also in den Ställen herum. Ich bin etwas überrascht, dich hier allein anzutreffen.«
Fleurette erschrak und schob sich instinktiv hinter ihr Pferd.
»Das sind unsere Ställe«, bemerkte sie dann tapfer. »Ich kann hier sein, wann ich will. Und ich drücke mich auch nicht herum, ich besuche mein Pferd.«
»Du besuchst dein Pferd. Wie rührend ...« Sideblossom kam näher. Fleur erschien seine Annäherung wie das Anschleichen eines Raubtiers, und in seinen Augen stand wieder das gefährliche Funkeln von vorhin. »Hattest du nicht auch anderweitig Besuch?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.« Fleurette hoffte, dass ihre Stimme fest klang.
»Das weißt du ganz genau. Spielst mir hier das Unschuldslamm vor, das sich einem jungen Spund versprochen hat, und tatsächlich treibst du’s mit ihm im Heu! Gib dir keine Mühe, Fleurette, ich weiß es aus sicherer Quelle, auch wenn ich euch heute nicht in flagranti ertappt habe. Aber du hast Glück, Schatz. Ich nehme auch gebrauchte Ware. Ich mache mir nicht so viel aus schüchternen Jungfern. Ist nur mühsam, die zu knacken. Also keine Sorge, du darfst in Weiß vor den Traualtar. Aber einen kleinen Vorgeschmack kann ich mir doch jetzt schon nehmen, oder?«
Mit einer raschen Bewegung zog er Fleurette hinter dem Pferd hervor. Niniane erschrak und floh in eine Boxecke. Gracie begann zu bellen.
»Lassen Sie mich!« Fleurette trat nach ihrem Angreifer, doch Sideblossom lachte nur. Seine starken Arme drückten sie an die
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