Im Land Der Weissen Wolke
dachte, ich nehme das Reichwerden selbst in die Hand«, bemerkte Fleurette und zog den Beutel ihres Vaters aus der Tasche ihres Reitkleides. »Schau, du brauchst kein Gold mehr zu finden. Aber deshalb bin ich nicht weggelaufen. Ich musste ... ich ...«
Ruben achtete gar nicht auf den Beutel, sondern nahm ihre Hand. »Erzähl mir das später. Erst zeige ich dir das Lager. Es ist ein wunderschöner Platz hier, viel besser als diese fürchterliche alte Schaffarm, auf der wir zunächst gehaust haben. Komm, Fleur ...«
Er zog sie mit sich Richtung Wald, doch Fleur schüttelte den Kopf.
»Erst das Pferd anbinden, Ruben! Wie hast du es eigentlich geschafft, Minette in all den Monaten nicht zu verlieren?«
Ruben grinste. » Sie hat aufgepasst, mich nicht zu verlieren. Das war doch ihr Auftrag, Fleur, gib’s zu! Du hast ihr gesagt, sie soll auf mich aufpassen!« Er streichelte Gracie, die winselnd an ihm hochsprang.
Schließlich stand Niniane sicher vertäut neben Minette und dem Muli, und Fleurette folgte dem aufgeregten Ruben durchs Lager.
»Hier schlafen wir ... nichts Großartiges, aber sauber. Du machst dir keinen Begriff, wie es auf den Farmen war ... und hier, der Bach. Der führt Gold!« Er wies auf ein schmales, aber munter zum Shotover fließendes Bächlein.
»Woran sieht man das?«, erkundigte sich Fleur.
»Das sieht man nicht, das weiß man!«, belehrte sie Ruben. »Man muss es herauswaschen. Ich zeige dir nachher, wie es geht. Aber wir bauen jetzt sowieso eine Waschrinne. Hier ... hier, das ist Stue!«
Rubens Partner hatte seinen Arbeitsplatz jetzt auch verlassen und kam den beiden entgegen. Fleurette fand ihn auf Anhieb sympathisch. Ein muskulöser, hellblonder Riese mit freundlichem, breitem Gesicht und lachenden blauen Augen.
»Stuart Peters, zu Ihren Diensten, Ma’am!« Er hielt Fleurette eine gewaltige Pranke entgegen, in der ihre zarte Hand völlig verschwand. »Sie sind genauso hübsch wie Ruben gesagt hat, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf!«
»Sie sind ein Schmeichler, Stue!« Fleurette lachte und warf einen Blick auf das Bauwerk, an dem Stuart gerade gearbeitet hatte. Es handelte sich um eine flache Rinne aus Holz, die auf Pfosten abwärts geführt und von einem kleinen Wasserfall gespeist wurde.
»Das ist eine Goldwaschrinne!«, erklärte Ruben eifrig. »Hier füllt man das Erdreich ein, dann leitet man Wasser durch. Es spült den Sand raus, und das Gold bleibt hier an den Stegen hängen ...«
»Riffel«, verbesserte Stuart.
Fleurette war beeindruckt. »Sie verstehen was von Goldförderung, Mr. Peters?«, fragte sie.
»Stue. Sagen Sie einfach Stue. Nun ja, eigentlich bin ich Schmied«, räumte Stuart ein. »Aber ich hab schon mal geholfen, so ein Ding zu bauen. Ist eigentlich ganz leicht. Obwohl die alten Miner da ’ne Wissenschaft draus machen wollen. Wegen der Fließgeschwindigkeit des Wassers und so ...«
»Aber das ist Unsinn!«, stimmte Ruben ihm zu. »Wenn was schwerer ist als Sand, wird es später rausgewaschen, das ist doch logisch. Egal wie schnell das Wasser fließt. Also muss das Gold hier drinbleiben!«
Fleurette fand das eigentlich nicht. So schnell, wie dieser Bach floss, würden zumindest kleine Goldkörner mit ausgeschwemmt werden. Aber es kam natürlich darauf an, auf Nuggets welcher Größe die Jungs scharf waren. Vielleicht konnte man es sich hier ja leisten, nur die größeren auszusieben. Also nickte sie brav und folgte den beiden zurück zum Lager. Stue und Ruben waren schnell übereingekommen, eine Pause einzulegen. Kurz darauf brodelte Kaffee in einem primitiven Behältnis über dem Feuer. Fleurette registrierte nebenbei den mageren Haushalt der beiden Goldsucher. Es gab lediglich einen Topf und zwei Essgeschirre, ihren Kaffeebecher musste sie schon mit Ruben teilen. Nach erfolgreichem Goldrausch sah das nicht aus.
»Na ja, wir fangen ja auch erst an«, verteidigte sich Ruben, als Fleur eine vorsichtige Bemerkung in diese Richtung machte. »Wir haben den Claim erst vor zwei Wochen abgesteckt und bauen jetzt erst unsere Waschrinne.«
»Was erheblich schneller ginge, wenn uns dieser Ethan, dieser Halsabschneider in Queenstown, nicht den letzten Dreck an Werkzeugen verkaufen würde!«, schimpfte Stuart. »Im Ernst, Fleur, in zwei Tagen haben wir drei Sägeblätter verschlissen. Und vorgestern hat sich wieder ein Spaten verbogen. Ein Spaten! Die Dinger halten sonst doch ein Leben lang. Und die Stiele kann ich auch jeden zweiten Tag austauschen, man
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