Im Land Der Weissen Wolke
prügeln ...«
»Mein Freund heißt Ruben. Ruben O’Keefe«, erklärte Fleurette eifrig, obwohl ihr Verstand ihr schon sagte, dass sie hier kaum weiterkäme. Wenn es stimmte, was Ethan sagte, mussten ihre Briefe hier gelandet sein. Und offensichtlich hatte niemand sie abgeholt.
Der Posthalter dachte nach. »Nein, Miss, tut mir Leid. Ich kenne den Namen – für den kommen alle naselang Briefe an. Hab ich alle hier liegen. Aber der Mann selbst ...«
»Vielleicht hat er ja einen anderen Namen genannt!«, fiel Fleurette zu ihrer Erleichterung ein. »Wie ist es mit Davenport? Ruben Davenport?«
»Davenports hab ich drei«, meinte Ethan gelassen. »Aber keinen Ruben.«
Bitter enttäuscht wollte Fleur schon hinausgehen, beschloss dann aber, noch einen letzten Versuch zu machen. »Vielleicht erinnern Sie sich ja daran, wie er aussieht. Ein großer, schlanker Mann ... na ja, eher ein Junge, er ist achtzehn. Und er hat graue Augen, so ein bisschen wie der Himmel vor dem Regen. Und dunkelbraunes Haar, wuschelig, mit einem Stich Kastanienrot ... Er kriegt es nie ordentlich gekämmt.« Sie lächelte verträumt, während sie ihn beschrieb, doch die Miene des Posthalters ließ sie sofort wieder nüchtern werden.
»Kenne ich nicht. Was ist mit dir, Ron? Irgend ’ne Idee?« Ethan wandte sich an einen kleinen dicken Mann, der eben eingetreten war und nun wartend an der Ladentheke lehnte.
Der Dicke zuckte die Achseln. »Was hat er denn für ’n Maultier?«
Fleurette erinnerte sich, dass Daphne den Besitzer des Mietstalls Ron genannt hatte, und schöpfte wieder Hoffnung.
»Er hat ein Pferd, Mister! Eine kleine Stute, sehr kompakt, so ähnlich wie meine hier ...« Sie wies durch die offene Tür auf Niniane, die immer noch vor dem Hotel wartete. »Nur kleiner, und ein Rotschimmel. Sie heißt Minette.«
Dan nickte bedächtig. »Schickes Pferd!«, erklärte er dann, wobei er offen ließ, ob er Niniane oder Minette meinte. Fleurette konnte vor Ungeduld kaum still stehen.
»Hört sich nach dem kleinen Rube Kays an. Der mit Stue Peters zusammen diesen komischen Claim hat, oben am Shotover River. Stue kennste doch. Das ist der ...«
»Der Kerl, der sich immer beschwert, dass mein Werkzeug nichts taugt! Ja, an den erinnere ich mich. Und an den anderen auch, aber der sagt nich’ viel. Stimmt, die haben so ’n Pferd.« Er wandte sich Fleur zu. »Da kannste heute aber nich’ mehr hinreiten, Lady. Das sind bestimmt zwei Stunden in die Berge.«
»Und ob der sich freut, dich zu sehen ...?«, unkte Ron. »Ich will ja nix sagen, aber wenn sich ’n Kerl so ’ne Mühe macht, dass er seinen Namen ändert und in den letzten Winkel von Otago abhaut, um von dir wegzukommen ...«
Fleurette wurde glühend rot, war aber zu glücklich über ihre Entdeckung, um sich zu ärgern.
»Er freut sich bestimmt, mich zu sehen«, versicherte sie. »Aber heute ist es wirklich zu spät. Kann ich mein Pferd bei Ihnen unterstellen, Mister ... Mister Ron?«
Fleur verbrachte eine erstaunlich ungestörte Nacht in ihrem Zimmer bei Daphne. Zwar drang von unten Klavierspiel zu ihr hinauf, und im Pub wurde wohl auch getanzt – außerdem herrschte bis etwa Mitternacht ein lebhaftes Kommen und Gehen auf dem Flur –, aber sie selbst blieb völlig unbehelligt und schlief irgendwann beruhigt ein. Am Morgen war sie früh wach und wunderte sich nicht sehr darüber, dass außer ihr noch niemand auf den Beinen zu sein schien. Zu ihrer Überraschung erwartete sie unten eins der blonden Mädchen.
»Ich soll Ihnen Frühstück machen, Miss Fleur«, sagte sie artig. »Daphne meint, Sie hätten einen langen Ritt vor sich, den Shotover hinauf, um Ihren Verlobten zu treffen. Laurie und ich finden das sehr romantisch!«
Dann war das also Mary. Fleur bedankte sich für den Kaffee, das Brot und die Eier und fühlte sich nicht gestört, als Mary sich zutraulich zu ihr setzte – nachdem sie auch Gracie ein Schälchen mit Fleischresten serviert hatte. »Süßer Hund, Miss. Ich hab auch mal so einen gekannt. Aber is’ lange her ...« Marys Gesicht wirkte beinahe verträumt. Die junge Frau sah ganz und gar nicht so aus, wie Fleur sich eine Hure vorgestellt hätte.
»Früher dachten wir immer, wir fänden auch mal einen netten Jungen«, plauderte Mary weiter und streichelte Gracie. »Aber das Dumme ist, dass ein Mann nicht zwei Mädchen heiraten kann. Und trennen wollen wir uns nicht. Wir müssten Zwillinge finden.«
Fleurette lachte. »Ich dachte, in Ihrem Gewerbe heiratet
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