Im Land Der Weissen Wolke
zutage trat. Ruben tat sich schwer damit, doch Fleurette hatte den Bogen sehr bald heraus. Sowohl Ruben als auch Stuart bewunderten sie für ihre offensichtliche Naturbegabung. Fleur selbst war weniger begeistert. Denn egal, wie geschickt sie wusch – es geschah einfach zu selten, dass winzige Spuren Gold in der Pfanne hängen blieben. Am Abend hatte sie fast sechs Stunden intensiv gearbeitet, während die Männer weitere zwei Sägeblätter verschlissen hatten, beim Bau ihrer Waschrinne aber noch nicht wesentlich weitergekommen waren. Fleurette fand das inzwischen nicht mehr allzu wichtig. Sie hielt die Goldförderung durch eine Waschrinne hier ohnehin für aussichtslos. Die geringfügigen Spuren an Gold, die sie heute herausgewaschen hatte, wären der Strömung des Baches zum Opfer gefallen. Und ob sich die Mühe lohnte? Stuart schätzte den Wert ihrer Ausbeute auf nicht einmal einen Dollar.
Dennoch schwärmten die Männer weiter von großen Goldfunden, während sie die Fische brieten, die Fleurette nebenbei aus dem Bach geholt hatte. Mit dem Verkauf von Fischen, dachte sie bitter, hätte sie sicher mehr Geld verdient als mit der ganzen Goldwäscherei.
»Morgen müssen wir erst mal nach Queenstown und neue Sägeblätter kaufen«, seufzte Stuart, als er sich schließlich zurückzog, wieder mit viel Verständnis für das junge Paar. Er behauptete, ebenso gut unter den Bäumen bei den Pferden schlafen zu können wie im Zelt.
»Und heiraten!«, sagte Ruben ernsthaft, wobei er Fleurette in die Arme nahm. »Glaubst du, es wäre sehr schlimm, wenn wir die Hochzeitsnacht heute schon mal vorwegnähmen?«
Fleur schüttelte den Kopf und schmiegte sich an ihn. »Wir werden es einfach keinem erzählen!«
8
Der Sonnenaufgang über den Bergen war wie geschaffen für einen Hochzeitstag. Die Alpen schienen rotgold und malvenfarben zu leuchten, in der Luft lag der Duft von Wald und frischem Gras, und das Murmeln des Baches vermischte sich mit dem Rauschen des Flusses zu einer ganz eigenen Gratulation. Fleurette fühlte sich glücklich und erfüllt, als sie in Rubens Armen erwachte und den Kopf aus dem Zelt streckte. Gracie begrüßte sie mit einem feuchten Hundekuss.
Fleur streichelte sie. »Schlechte Nachricht, Grace, aber ich hab jemanden gefunden, der besser küsst!«, sagte sie lachend. »Los jetzt, weck Stuart, ich mache Frühstück. Wir haben heute noch viel vor, Gracie! Lass die Männer ja nicht den großen Tag verschlafen!«
Stuart sah gutmütig darüber hinweg, dass Fleurette und Ruben bei den Vorbereitungen auf ihren Ritt kaum die Hände voneinander lassen konnten. Beide Männer fanden es allerdings verwunderlich, dass Fleur auf Mitnahme des halben Hausstandes bestand.
»Wir kommen doch spätestens morgen wieder her!«, meinte Stuart. »Klar, wenn wir schon richtig loslegen und für die Mine einkaufen und so, kann es etwas länger dauern, aber ...«
Fleur schüttelte den Kopf. Sie hatte in dieser Nacht nicht nur ganz neue Wonnen der Liebe kennen gelernt, sondern auch gründlich nachgedacht. Auf keinen Fall wollte sie das Geld ihres Vaters in das aussichtslose Unternehmen einer Mine stecken. Allerdings musste sie Ruben das erst diplomatisch klar machen.
»Hört mal, Jungs, das mit der Mine hat doch so keinen Zweck«, setzte sie vorsichtig an. »Ihr sagt selbst, die Materiallage ist ungenügend. Glaubt ihr, daran ändert sich was, wenn wir jetzt etwas mehr Geld haben?«
Stuart schnaubte. »Garantiert nicht. Der alte Ethan wird uns weiterhin sein unnützes Zeug verkaufen.«
Fleur nickte. »Dann machen wir Nägel mit Köpfen. Du bist Schmied. Kannst du gutes und schlechtes Werkzeug auseinander halten? Nicht erst, wenn du schon damit arbeitest, sondern gleich im Einkauf?«
Stuart nickte. »Das will ich meinen! Wenn ich die Wahl habe ...«
»Gut«, fiel Fleur ihm ins Wort. »Also werden wir in Queenstown einen Wagen mieten oder gleich kaufen. Wir können die Cobs vorspannen, die schaffen beide was weg! Und dann fahren wir nach ... welches ist die nächstgrößere Stadt? Dunedin? Wir fahren nach Dunedin. Und da kaufen wir Werkzeug und sonstiges Material, das die Goldgräber hier brauchen.«
Ruben nickte bewundernd. »Sehr gute Idee. Die Mine läuft uns ja nicht weg. Aber wir werden nicht gleich einen Wagen brauchen, Fleur, wir können das Maultier beladen.«
Fleurette schüttelte den Kopf. »Wir kaufen den größten Wagen, den die Cobs ziehen können, und beladen ihn mit so viel Material, wie es eben geht. Das
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