Im Land Der Weissen Wolke
klar Gwyns Enkelin«, sagte Helen. »Von mir hat sie gar nichts. Passt auf, zum dritten Geburtstag wünscht sie sich ein paar Schafe!«
Leonard McDunn rechnete seine letzte Einkaufsfahrt gewissenhaft mit Ruben O’Keefe ab, bevor er seine neue Aufgabe in Angriff nahm. Das Police Office musste erst gestrichen, das Gefängnis mit Stuart Peters Hilfe mit Gittern versehen werden. Helen und Fleur halfen mit Matratzen und Laken aus dem Warenhaus aus, um die Zellen ordentlich einzurichten.
»Fehlt bloß noch, dass ihr Blumen reinstellt«, brummte McDunn, und auch Stuart war beeindruckt.
»Ich behalte einen Nachschlüssel!«, neckte der Schmied. »Falls ich mal Gäste unterbringen muss.«
»Du kannst gleich probesitzen«, drohte McDunn. »Aber mal im Ernst – ich fürchte, wir werden heute schon voll. Miss Daphne plant einen Irischen Abend. Wetten, dass sich am Ende die halbe Kundschaft prügelt?«
Helen runzelte die Stirn. »Das wird aber nicht gefährlich, Leonard, oder? Passen Sie bloß auf sich auf! Ich ... wir ... wir brauchen unseren Constabler in einem Stück!«
McDunn strahlte. Es gefiel ihm außerordentlich, dass Helen sich um ihn sorgte.
Kaum drei Wochen später wurde er allerdings mit einem ernsteren Problem konfrontiert als den üblichen Streitigkeiten unter Goldsuchern.
Hilfe suchend wartete er im O’Kay Warehouse, bis Ruben Zeit für ihn hatte. Aus den hinteren Räumen des Schuppens klangen Stimmen und Gelächter, doch Leonard wollte nicht aufdringlich sein. Zumal er immerhin in offizieller Mission unterwegs war. Schließlich wartete hier nicht Leonard auf seinen Freund, sondern der Police Officer auf den Friedensrichter. Trotzdem atmete er auf, als Ruben sich endlich losriss und zu ihm nach vorn kam.
»Leonard! Entschuldige, dass ich dich warten ließ!« O’Keefe wirkte beschwingt. »Aber wir haben was zu feiern. Sieht aus, als ob ich zum dritten Mal Vater werde! Jetzt sag mir aber erst einmal, was anliegt. Wie kann ich dir helfen?«
»Ein dienstliches Problem. Und eine Art rechtliches Dilemma. Vorhin erschien ein gewisser John Sideblossom in meinem Büro, ein vermögender Farmer, der in die Goldminen investieren will. Er war ganz aufgedreht. Ich müsste unbedingt einen Mann verhaften, den er im Goldgräberlager gesehen hat. Einen James McKenzie.«
»James McKenzie?«, fragte Ruben. »Der Viehdieb?«
McDunn nickte. »Der Name kam mir gleich bekannt vor. Wurde vor ein paar Jahren im Hochland gefasst und in Lyttelton zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.«
Ruben nickte. »Ich weiß.«
»Hattest schon immer ein gutes Gedächtnis, Herr Richter!«, sagte Leonard anerkennend. »Weißt du auch, dass sie McKenzie begnadigt haben? Sideblossom sagt, man hätte ihn nach Australien geschickt.«
»Sie haben ihn ausgewiesen«, berichtigte Ruben. »Australien war das Nächstliegende. Die Viehbarone hätten ihn lieber in Indien gesehen oder sonst wo. Und am liebsten im Magen eines Tigers.«
McDunn lachte. »Genau den Eindruck machte dieser Sideblossom. Tja, wenn er Recht hat, ist McKenzie zurück, obwohl er lebenslänglich wegbleiben sollte. Deshalb müsste ich ihn nun verhaften, sagt dieser Sideblossom. Aber was mache ich mit ihm? Auf Lebenszeit einsperren kann ich ihn kaum. Und fünf Jahre Gefängnis hat auch wenig Sinn – die hat er ja streng genommen schon rum. Mal ganz abgesehen davon, dass ich den Platz gar nicht habe. Fällt Ihnen dazu was ein, Herr Richter?«
Ruben versuchte, so zu tun, als denke er nach. Doch für McDunn spiegelte sich in seiner Miene eher Freude. Trotz dieses McKenzie. Oder wegen?
»Pass auf, Leonard«, meinte Ruben schließlich. »Erst mal findest du raus, ob dieser McKenzie wirklich der ist, den Sideblossom meint. Und dann sperrst du ihn genauso lange ein, wie der Kerl noch in der Stadt ist. Sag ihm, du nimmst ihn in Schutzhaft. Sideblossom hätte ihn bedroht, und du wolltest keinen Ärger.«
McDunn grinste.
»Aber erzähl meiner Frau nichts davon!«, mahnte Ruben. »Es soll eine Überraschung werden. Ach ja, und spendier Mr. McKenzie vor dem Einsperren noch eine Rasur und einen anständigen Haarschnitt, sofern das nötig ist. Er wird Damenbesuch bekommen – gleich nach seinem Einzug in dein Grand Hotel!«
Während der ersten Wochen einer Schwangerschaft hatte Fleurette stets nah am Wasser gebaut, und so weinte sie sich auch jetzt die Augen aus, als sie McKenzie im Gefängnis besuchte. Ob aus Freude über das Wiedersehen oder aus Verzweiflung über seine erneute
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