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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Station. Ich will nur mit Gwyneira zusammen sein. Allerdings schätze ich, Friday braucht ein paar Schafe.«

    Rubens Schreiben an den Gouverneur ging gleich am nächsten Tag ab, aber natürlich rechnete niemand mit einer raschen Antwort. So langweilte James McKenzie sich erst mal im Gefängnis, während Helen eine wunderschöne Zeit in Queenstown verbrachte. Sie spielte mit ihren Enkeln, sah mit Herzklopfen zu, wie Fleurette den kleinen Stephen zum ersten Mal aufs Pony setzte, und versuchte Elaine zu trösten, die dabei protestierend weinte. Voller banger Erwartung inspizierte sie die kleine Schule, die gerade eröffnet hatte. Vielleicht bestand hier ja die Möglichkeit, sich nützlich zu machen und für immer in Queenstown zu bleiben. Bislang gab es allerdings nur zehn Schüler, und mit denen kam die junge Lehrerin, ein sympathisches Mädchen aus Dunedin, ganz gut allein zurecht. Auch in Rubens und Fleurettes Laden gab es nicht viel für Helen zu tun; hier standen sich schon die Zwillinge gegenseitig im Weg und überschlugen sich in dem Wunsch, ihrer angebeteten Miss Helen jeden Handschlag abzunehmen. Helen erfuhr nun auch endlich Daphnes ganze Geschichte. Sie lud die junge Frau zum Tee ein, auch wenn die ehrbaren Damen von Queenstown sich darüber vielleicht die Mäuler zerrissen.
    »Als ich den Kerl erledigt hatte, ging ich erst mal nach Lyttelton«, erzählte Daphne von ihrer Flucht vor dem lüsternen Morrison. »Am liebsten wäre ich aufs nächste Schiff zurück nach London, aber das ging natürlich nicht. Niemand hätte ein Mädchen wie mich mitgenommen. Ich dachte auch an Australien. Aber die haben da ja weiß Gott genug ... äh, leichte Mädchen, die keine Stelle als Bibelverkäuferin finden. Und dann fand ich die Zwillinge. Die waren unter dem gleichen Vorzeichen da wie ich: Nur weg hier – und ›weg‹ hieß ›Schiff‹.«
    »Wie hatten sie einander denn wiedergefunden?«, erkundigte sich Helen. »Sie waren doch in völlig verschiedenen Gegenden.«
    Daphne zuckte die Schultern. »Sie sind eben Zwillinge. Was der einen einfällt, fällt auch der anderen ein. Glauben Sie mir, ich hab sie seit über zwanzig Jahren um mich, und sie sind mir immer noch unheimlich. Wenn ich sie damals richtig verstanden hab, sind sie auf dem Bridle Path zusammengetroffen. Wie sie sich dahin durchgeschlagen haben, weiß ich nicht. Jedenfalls trieben sie sich am Hafen herum, stahlen sich ihr Essen zusammen und wollten sich auf ein Boot schmuggeln. Völliger Unsinn, man hätte sie gleich entdeckt. Was sollte ich also tun? Ich hab sie behalten. War ein bisschen nett zu einem Matrosen, und der hat mir dann die Papiere von einem Mädchen besorgt, das auf der Reise von Dublin nach Lyttelton gestorben ist. Offiziell heiße ich Bridey O’Rourke. Das hat mir auch jeder geglaubt, mit meinem roten Haar. Aber die Zwillinge riefen mich natürlich Daphne, also hab ich den Vornamen behalten. Ist ja auch ein guter Name für eine ... Ich meine, es ist ein biblischer Name, den legt man ungern ab.«
    Helen lachte. »Irgendwann wird man dich heilig sprechen!«
    Daphne kicherte und sah dabei aus wie das kleine Mädchen von damals. »Wir sind dann also an die Westcoast. Sind erst ein bisschen rumgereist und schließlich in einem Puff ... äh, dem Etablissement einer Madame Jolanda gelandet. Ziemlich runtergekommen. Ich hab da erst mal aufgeräumt und für richtigen Umsatz gesorgt. Da hat Ihr Mr. Greenwood mich auch aufgetrieben, allerdings bin ich nicht wegen ihm weg. Es war mehr, weil Jolanda mit nichts zufrieden war. Eines Tages eröffnete sie mir sogar, sie wollte am nächsten Samstag meine Zwillinge versteigern! Würde Zeit, sagte sie, dass die mal eingeritten würden ... äh, dass die mal einer erkannte, wie’s in der Bibel heißt.«
    Helen musste lachen. »Deine Bibel hast du wirklich im Kopf, Daphne«, sagte sie. »Demnächst prüfen wir dann deine Kenntnisse über David Copperfield .«
    »Jedenfalls hab ich freitags noch mal richtig auf den Putz gehauen, und dann sind wir mit der Kasse weg. Das war natürlich nicht ladylike.«
    »Sagen wir – Auge um Auge, Zahn um Zahn«, bemerkte Helen.
    »Na ja, und dann sind wir dem ›Ruf des Goldes‹ gefolgt.« Daphne grinste. »Sehr erfolgreich! Ich würde sagen, siebzig Prozent der Erträge aller Goldminen der Gegend landen bei mir.«

    Ruben war verwirrt, beinahe ein wenig beunruhigt, als er schon sechs Wochen nach seinem Brief an den Gouverneur einen sehr offiziell aussehenden Umschlag in

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