Im Land Der Weissen Wolke
Gefangenschaft ließ sich nicht feststellen.
James McKenzie selbst dagegen schien wenig beunruhigt. Er war eigentlich bester Stimmung gewesen, bis Fleurette in Tränen ausbrach. Jetzt hielt er sie im Arm und streichelte ihr unbeholfen über den Rücken.
»Nun wein nicht, Kleine, mir passiert hier doch nichts! Draußen wär’s viel gefährlicher. Mit diesem Sideblossom habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen!«
»Warum musstest du ihm auch gleich wieder in die Arme laufen?«, schluchzte Fleurette. »Was hast du überhaupt auf den Goldfeldern gemacht? Du wolltest doch keinen Claim abstecken?«
McKenzie schüttelte den Kopf. Er sah auch keineswegs so aus wie einer der Glücksritter, die auf den alten Schaffarmen nahe der Goldfunde ihr Lager aufschlugen, und McDunn hatte ihn weder zu Bad und Rasur nötigen noch ihm mit Geld dafür aushelfen müssen. James McKenzie wirkte eher wie ein gut situierter Rancher auf Reisen. Von Kleidung und Reinlichkeit her hätte man ihn nicht von seinem alten Feind Sideblossom unterscheiden können.
»Ich habe in meinem Leben genug Claims abgesteckt und mit dem einen in Australien sogar recht gut verdient. Das Geheimnis ist, die Goldfunde nicht gleich in einem Etablissement wie dem von Miss Daphne zu verjubeln.« Er lachte seine Tochter an. »Auf den Goldfeldern hier hab ich natürlich deinen Gatten gesucht. Muss man schließlich erst darauf kommen, dass der inzwischen in der Main Street residiert und harmlose Reisende einbuchten lässt.« Er zwinkerte Fleurette zu. Noch vor dem Treffen mit ihr hatte er Ruben kennen gelernt und war sehr zufrieden mit seinem Schwiegersohn.
»Und was passiert jetzt?«, fragte Fleurette. »Werden sie dich nach Australien zurückschicken?«
McKenzie seufzte. »Ich hoffe nicht. Die Passage kann ich mir zwar mühelos leisten ... nun guck nicht so, Ruben, ist alles ehrlich verdient! Ich schwöre, ich hab da drüben nicht ein Schaf gestohlen! Aber es wäre ein erneuter Zeitverlust. Natürlich würde ich gleich zurückkommen, diesmal aber mit anderen Papieren. So etwas wie mit diesem Sideblossom passiert mir nicht wieder. Aber so lange müsste Gwyn weiter warten. Und ich bin sicher, sie ist das Warten leid – genau wie ich!«
»Falsche Papiere sind auch keine Lösung«, meinte Ruben. »Das ginge, wenn Sie in Queenstown leben möchten, an der Westcoast oder irgendwo auf der Nordinsel. Aber wenn ich Sie richtig verstehe, möchten Sie zurück in die Canterbury Plains reiten und Gwyneira Warden heiraten. Nur – da unten kennt Sie jedes Kind!«
McKenzie zuckte die Schultern. »Auch wieder wahr. Ich würde Gwyn entführen müssen. Aber diesmal kenne ich da keine Skrupel!«
»Es wäre besser, sich zu legalisieren«, meinte Ruben streng. »Ich werde dem Gouverneur schreiben.«
»Aber das macht doch Sideblossom schon!« Fleurette schien wieder kurz davor zu stehen, in Tränen auszubrechen. »Hat Mr. McDunn doch erzählt, dass er gewütet hat wie ein Irrer, weil mein Vater hier behandelt wird wie ein Fürst ...«
Sideblossom war mittags im Police Office vorbeigekommen, als die Zwillinge sowohl dem Wärter als auch dem Gefangenen ein Schlemmermahl servierten. Er hatte nicht gerade begeistert darauf reagiert.
»Sideblossom ist Rancher und ein alter Gauner. Wenn sein Wort gegen meins steht, wird der Gouverneur wissen, was zu tun ist«, begütigte Ruben. »Und ich werde ihm die Situation in allen Einzelheiten schildern – einschließlich McKenzies gefestigter finanzieller Situation, seiner Familieneinbindung und den Heiratsplänen. Dazu werde ich seine Qualifikationen und Verdienste herausstreichen. Gut, er hat ein paar Schafe gestohlen. Aber er hat auch das McKenzie-Hochland entdeckt, auf dem Sideblossom jetzt weiden lässt. Der sollte Ihnen dankbar sein, James, statt Mordpläne zu hegen! Und Sie sind ein erfahrener Viehhüter und Züchter, ein ausgesprochener Gewinn für Kiward Station, gerade jetzt nach dem Tod von Gerald Warden.«
»Wir könnten ihm auch eine Anstellung geben!«, mischte Helen sich ein. »Hätten Sie Lust, Verwalter auf O’Keefe Station zu werden, James? Das wäre eine Alternative, falls der liebe Paul Gwyneira in absehbarer Zeit auf die Straße setzt.«
»Oder Tonga«, bemerkte Ruben. Er hatte Gwyneiras rechtliche Situation im Streit mit den Maoris in der letzten Zeit studiert und war wenig optimistisch. Faktisch gesehen waren Tongas Ansprüche berechtigt.
James McKenzie zuckte die Achseln. »O’Keefe Station ist mir so recht wie Kiward
Weitere Kostenlose Bücher