Im Land Der Weissen Wolke
zu können. Gwyneira sollte die Maori-Mädchen derweil zu perfekten Serviererinnen schulen, war damit jedoch überfordert. Dann fiel ihr ein, dass mit Dorothy, Elizabeth und Daphne gut ausgebildetes Personal in der Gegend sein müsste. Mrs. Godewind stellte Elizabeth denn auch gern zur Verfügung, und die Candlers, Dorothys Dienstherren, waren sowieso eingeladen und konnten das Mädchen gleich mitbringen. Daphne allerdings blieb verschwunden. Gerald hatte keine Ahnung, wo Morrisons Farm lag, sodass es keine Hoffnung gab, direkt mit dem Mädchen Kontakt aufzunehmen. Mrs. Baldwin behauptete zwar, sie hätte es versucht, aber von Morrison sei keine Antwort gekommen. Gwyneira dachte wieder einmal mit Bedauern an Helen. Vielleicht wusste die ja etwas von ihrem verlorenen Zögling. Doch sie hatte nach wie vor nichts von ihrer Freundin gehört und auch keine Zeit und Gelegenheit gefunden, Nachforschungen anzustellen.
Dorothy und Elizabeth allerdings machten einen glücklichen Eindruck. Sie sahen in den eigens für die Hochzeit geschneiderten blauen Dienstkleidern mit weißen Spitzenschürzen und Hauben sehr hübsch und adrett aus, und sie hatten auch nichts von ihrer Ausbildung vergessen. Elizabeth ließ in der Aufregung trotzdem zwei Teller des wertvollen Porzellans fallen, doch Gerald bemerkte es nicht, den Maori-Mädchen war es egal, und Gwyneira sah darüber hinweg. Sie machte sich mehr Gedanken um Cleo, die James McKenzie nur bedingt gehorchte. Hoffentlich würde bei der Vorführung der Hütehunde alles gut gehen.
Das Wetter zumindest war hervorragend, und so fand die Trauung unter einem extra aufgestellten Baldachin im Garten statt, in dem es grünte und blühte. Die meisten Gewächse kannte Gwyneira aus England. Das Land war fruchtbar und offensichtlich bereit, sich allen neuen Pflanzen und Tieren zu öffnen, die ihm die Einwanderer zumuteten.
Gwyneiras englisches Hochzeitskleid sorgte für bewundernde Blicke und Bemerkungen. Besonders Elizabeth war hingerissen.
»So eins möchte ich auch haben, wenn ich mal heirate!«, seufzte sie sehnsüchtig, schwärmte inzwischen allerdings nicht mehr von Jamie O’Hara, sondern eher von Vikar Chester.
»Du kannst es dann ausleihen!«, meinte Gwyn großzügig. »Und du natürlich auch, Dot!«
Dorothy steckte gerade ihr Haar auf, was sie viel geschickter tat als Kiri und Moana, wenn auch nicht so gekonnt wie Daphne. Dorothy sagte nichts zu Gwyneiras großmütigem Angebot, doch Gwyn hatte gesehen, dass sie den jüngsten Sohn der Candlers mit Interesse musterte. Die beiden passten vom Alter her gut zusammen – vielleicht würde sich in einigen Jahren etwas ergeben.
Gwyneira war eine wunderschöne Braut, und Lucas stand ihr in seinem Hochzeitsstaat kaum nach. Er trug einen hellgrauen Frack, perfekt auf die Farbe seiner Augen abgestimmt, und wie nicht anders zu erwarten, war sein Auftreten untadelig. Während Gwyn sich zweimal verhaspelte, sprach Lucas die Trauformel sicher und mit gesetzter Stimme, steckte den kostbaren Ring geschickt auf den Finger seiner Frau und küsste sie scheu auf den Mund, als Reverend Baldwin ihn dazu aufforderte. Gwyneira fühlte sich auf seltsame Weise enttäuscht, obwohl sie sich gleich zur Ordnung rief. Was hatte sie denn erwartet? Dass Lucas sie in die Arme reißen und leidenschaftlich küssen würde, wie die Cowboys aus den Groschenheften die glücklich errettete Heldin?
Gerald wusste sich vor Stolz auf das junge Paar kaum zu lassen. Champagner und Whiskey flossen in Strömen. Das mehrgängige Menü war deliziös, die Gäste begeistert und voll der Bewunderung. Gerald strahlte vor Glück, während Lucas erstaunlich gleichmütig blieb – was Gwyneira ein bisschen ärgerte. Er hätte wenigstens so tun können, als wäre er in sie verliebt! Aber das konnte man wohl nicht erwarten. Gwyn versuchte es als unerfüllbare, romantische Traumvorstellungen abzuhaken; trotzdem machte Lucas’ fast unbeteiligte Gelassenheit sie nervös. Andererseits schien sie die Einzige zu sein, die das seltsame Verhalten ihres Gatten bemerkte. Die Gäste äußerten sich nur lobend über das schöne Paar und schwärmten davon, wie gut Braut und Bräutigam zusammenpassten. Vielleicht erwartete sie einfach zu viel.
Schließlich kündigte Gerald die Vorführung der Hütehunde an, und die Gäste folgten ihm vor die Ställe hinter dem Haus.
Gwyneira schaute wehmütig zu Igraine hinüber, die mit Madoc auf einer Koppel stand. Sie war seit Tagen nicht mehr zum Reiten gekommen,
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