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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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daraufhin gestenreich in ihr Lager ein, und Gwyn bewunderte ihre Schlafhäuser und Grillplätze und vor allem das reich mit Schnitzereien geschmückte Versammlungshaus.
    Allmählich verstand sie auch die ersten Brocken Maori.
    Kia ora hieß Guten Tag. Tane hieß der Mann, wahine die Frau. Sie erfuhr, dass man nicht »Danke«, sagte, sondern sich durch Taten dankbar erwies, und dass Maoris sich zur Begrüßung nicht die Hände gaben, sondern die Nasen rieben. Dieses Zeremoniell nannte man hongi , und Gwyneira übte es mit den kichernden Kindern. Lucas war entsetzt, als sie davon erzählte, und Gerald ermahnte sie: »Wir sollten uns auf keinen Fall zu sehr verbrüdern. Diese Leute sind primitiv, sie müssen ihre Grenzen kennen.«
    »Ich finde, es ist immer gut, wenn man sich besser verständigen kann«, widersprach Gwyn. »Warum sollen gerade die Primitiven die Sprache der Zivilisierten lernen? Umgekehrt müsste es doch viel leichter gehen!«

    Helen kauerte neben der Kuh und versuchte, ihr gut zuzureden. Das Tier wirkte denn auch durchaus freundlich, was keineswegs selbstverständlich war, wenn sie Daphne auf dem Schiff richtig verstanden hatte. Angeblich musste man sich bei mancher Milchkuh in Acht nehmen, dass sie beim Melken nicht ausschlug. Doch selbst die bereitwilligste Kuh konnte das Melken nicht allein erledigen. Helen wurde gebraucht – nur klappte es einfach nicht. Egal wie sie am Euter zog und knetete, mehr als ein oder zwei Tropfen Milch kamen nie. Dabei hatte es bei Howard ganz leicht ausgesehen. Allerdings hatte er es ihr nur einmal gezeigt; er war immer noch verstimmt nach dem Desaster von gestern Abend. Als er vom Melken zurückkam, hatte der Ofen die Stube in eine verqualmte Höhle verwandelt. In Tränen aufgelöst, hockte Helen vor dem eisernen Ungeheuer, und gefegt hatte sie natürlich auch noch nicht. Howard hatte in verbissenem Schweigen Ofen und Kamin angefeuert, ein paar Eier in eine Eisenpfanne geschlagen und Helen das Essen auf den Tisch gestellt.
    »Ab morgen kochst du!«, erklärte er dabei und hörte sich an, als kenne er nun wirklich kein Pardon mehr. Helen fragte sich, was sie kochen sollte. Außer Milch und Eiern war doch wohl auch am nächsten Tag nichts im Haus. »Und Brot musst du backen. Getreide ist da im Schrank. Außerdem Bohnen, Salz ... du wirst dich schon zurechtfinden. Ich verstehe, dass du heute müde bist, Helen, aber so nützt du mir nichts!«
    Bei Nacht hatte sich dann das Erlebnis von gestern wiederholt. Diesmal trug Helen ihr schönstes Nachthemd, und sie lagen zwischen sauberen Laken, was die Erfahrung aber auch nicht angenehmer machte. Helen war wund und schämte sich schrecklich. Howards Gesicht, das nackte Lüsternheit spiegelte, ängstigte sie. Aber diesmal wusste sie wenigstens, dass es schnell vorbeiging. Danach schlief Howard rasch ein.
    An diesem Morgen nun hatte er sich auf den Weg gemacht, um die Schafherden zu inspizieren. Vor dem Abend, ließ er Helen wissen, würde er nicht zurück sein. Und dann erwartete er ein warmes Haus, ein gutes Essen und eine aufgeräumte Stube.
    Helen scheiterte schon beim Melken. Aber jetzt, als sie wieder verzweifelt am Euter der Kuh zog, klang ein verstohlenes Kichern aus Richtung Stalltür. Dazu flüsterte jemand etwas. Helen hätte sich zweifellos gefürchtet, wären die Stimmen nicht hell und kindlich gewesen. So richtete sie sich nur auf.
    »Kommt raus, ich sehe euch!«, behauptete sie.
    Erneutes Glucksen.
    Helen ging zur Tür, sah aber nur noch zwei kleine, dunkle Gestalten wie ein Blitz durch die halb offene Tür verschwinden.
    Nun, weit würden die nicht laufen, dafür waren sie viel zu neugierig.
    »Ich tue euch nichts!«, rief Helen. »Was habt ihr gewollt, Eier stehlen?«
    »Wir nicht stehlen, Missy!« Ein empörtes Stimmchen. Da hatte Helen wohl jemanden in seiner Ehre gekränkt. Hinter der Stallecke schob sich ein kleines kastanienbraunes Wesen hervor, nur mit einem Röckchen bekleidet. »Wir melken, wenn Mr. Howard weg!«
    Aha! Den beiden verdankte Helen den Auftritt von gestern!
    »Gestern habt ihr aber nicht gemolken!«, sagte sie streng. »Mr. Howard war sehr böse.«
    »Gestern waiata-a-ringa ...«
    »Tanz«, ergänzte das zweite Kind, diesmal ein kleiner Junge, bekleidet mit einem Lendenschurz. »Ganze Volk tanzen. Keine Zeit für Kuh!«
    Helen verzichtete auf die Belehrung, eine Kuh müsse ohne Rücksicht auf Festivitäten täglich gemolken werden. Das hatte sie bis gestern schließlich auch nicht

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