Im Land Der Weissen Wolke
Tanz zu eröffnen. Im Salon spielte ein Streichquartett, wobei Lucas allerdings anmerkte, dass sich häufig Fehler in die Darbietung einschlichen. Gwyn fiel es gar nicht auf. Dorothy und Kiri hatten ihr Kleid notdürftig gereinigt, und nun ließ sie sich von Lucas durch einen Walzer führen. Wie erwartet war der junge Warden ein hervorragender Tänzer, aber auch Gerald bewegte sich geschmeidig übers Parkett. Gwyn tanzte erst mit ihrem Schwiegervater, dann mit Lord Barrington und Mr. Brewster. Die Brewsters hatten diesmal ihren Sohn und dessen junge Gattin mitgebracht, und die kleine Maori war tatsächlich so bezaubernd, wie er sie geschildert hatte.
Zwischendurch war immer wieder Lucas an der Reihe – und irgendwann taten Gwyn die Füße weh vom Tanzen. Schließlich ließ sie sich von Lucas auf die Veranda führen, um frische Luft zu schnappen. Sie nippte an einem Glas Champagner und dachte an die Nacht, die vor ihr lag. Jetzt konnte sie die Sache nicht länger verdrängen. Heute würde das passieren, was sie »zu einer Frau machte«, wie ihre Mutter gesagt hatte.
Von den Ställen her klang ebenfalls Musik herüber. Die Farmarbeiter feierten, allerdings nicht mit Streichquartett und Walzer – hier spielten Fiedel, Harmonika und Tin Whistle zu fröhlichen Volkstänzen auf. Gwyneira fragte sich, ob auch McKenzie eines dieser Instrumente spielte. Und ob er gut zu Cleo war, die heute Nacht ausgesperrt bleiben würde. Lucas war nicht begeistert davon, dass die kleine Hündin seiner Verlobten auf Schritt und Tritt folgte. Er hätte Gwyn vielleicht ein Schoßhündchen zugestanden, doch die Hütehündin gehörte seiner Ansicht nach in den Stall. Heute Nacht wollte Gwyn nachgeben; morgen aber würden die Karten neu gemischt. Und James würde sich schon gut um Cleo kümmern ... Gwyn dachte an seine kräftigen braunen Hände, die das Fell ihrer Hündin kraulten. Die Tiere liebten ihn ... und sie musste sich jetzt um andere Dinge kümmern.
Das Hochzeitsfest war noch in vollem Gange, als Lucas seiner Frau vorschlug, sich zurückzuziehen.
»Später werden die Männer betrunken sein und womöglich darauf bestehen, uns ins Brautgemach zu geleiten«, sagte er. »Die Zoten, die sie dabei machen, möchte ich mir und dir gern ersparen.«
Gwyneira war es recht. Sie hatte genug vom Tanzen und wollte die Sache hinter sich bringen. Dabei schwankte sie zwischen Angst und Neugier. Den diskreten Anmerkungen ihrer Mutter zufolge würde es wehtun. Doch in den Groschenheftchen sank die Frau immer ganz begeistert in des Cowboys Arme. Gwyn würde sich überraschen lassen.
Die Hochzeitsgesellschaft verabschiedete das Paar mit großem Hallo, aber ohne peinliche Zoten, und Kiri war gleich zur Stelle, um Gwyneira aus ihrem Brautkleid zu helfen. Lucas küsste sie vor ihren Gemächern behutsam auf die Wange.
»Nimm dir Zeit für die Vorbereitung, meine Liebe. Ich komme dann zu dir.«
Kiri und Dorothy zogen Gwyneira das Kleid aus und lösten ihr Haar. Kiri kicherte und scherzte dabei die ganze Zeit, während Dorothy schluchzte. Das Maori-Mädchen schien sich ehrlich für Gwyn und Lucas zu freuen und zeigte sich nur verwundert darüber, dass die Eheleute sich so früh von der Feier zurückzogen. Bei den Maoris galt es als Zeichen der Eheschließung, das Lager vor der gesamten Familie zu teilen. Als Dorothy das hörte, weinte sie noch heftiger.
»Was ist denn so traurig, Dot?«, fragte Gwyneira gereizt. »Man kommt sich ja vor wie auf einer Beerdigung.«
»Ich weiß nicht, Miss, aber meine Mummy hat bei Hochzeiten immer geweint. Vielleicht bringt es Glück.«
»Nicht bringt Glück Weinen, bringt Glück Lachen!«, meinte dagegen Kiri. »So, Sie fertig, Miss! Sehr schöne Miss! Sehr schön. Wir jetzt gehen und klopfen an Tür von Mr. Lucas. Schöner Mann, Mr. Lucas! Sehr nett! Nur bisschen dünn!« Sie kicherte, als sie Dorothy aus der Tür zog.
Gwyneira sah an sich herunter. Ihr Nachthemd war aus feinster Spitze; sie wusste, dass es ihr gut stand. Aber was sollte sie jetzt tun? Sie konnte Lucas nicht hier an ihrem Frisiertisch empfangen. Und wenn sie ihre Mutter richtig verstanden hatte, spielte die Sache sich ja wohl im Bett ab ...
Gwyn legte sich hin und zog die Seidendecke über sich. Eigentlich schade, man sah das Nachthemd gar nicht mehr. Aber vielleicht deckte Lucas sie ja auf ...?
Sie hielt den Atem an, als sie die Türklinke hörte. Lucas trat ein, eine Lampe in der Hand. Er schien verwirrt, weil Gwyn das Licht noch nicht gelöscht
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