Im Land des Eukalyptusbaums Roman
Nolas Tränenstrom endlich versiegte, streifte Galen sein Hemd ab und legte es ihr um die Schulter. Sie stand noch unter Schock und nahm den Zustand ihrer Kleidung gar nicht wahr.
»Es ist ausgestanden, Nola. Tut mir leid, daß du all das durchmachen mußtest.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es war ja nicht deine Schuld.«
»Wir müssen Hank Bescheid geben, daß du in Sicherheit bist. Kann ich dich für eine Minute allein lassen.«
Sie riß die Augen auf, und weinte von neuem. »Laß mich nicht alleine, bitte!«
»Gut, ich bleibe hier. – Aber wir müssen so schnell wie möglich zum Anwesen zurück!«
Sie schaute ihm in die Augen. »Ich muß sterben. Er hat mich verflucht! Er hat mir Quarzsteine in den Bauch gelegt ...« Mit der flachen Hand strich sie sich über den Unterleib, fühlte aber keine Anzeichen einer Verletzung. Sie dachte an ihr Baby, und erneut flossen die Tränen.
Galen runzelte die Stirn. »Das ist doch Hexendoktor-Unsinn, Nola! Du weißt genau, daß er dir keine Steine in den Bauch legen kann.«
Ihr Verstand sagte, daß Galen recht haben mußte, aber Nola konnte es noch immer nicht fassen. »Aber ich habedoch gesehen, wie die Steine in meinem Bauch verschwanden. Und er hat sich diese Schlange da aus seinem Körper gezogen. Ich hab’ es gesehen!« Wieder wurde sie von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt.
Galen packte sie an der Schulter und spürte, wie sie zitterte. Dann sah er ihr tief in die Augen. »Glaub mir, Nola. Du wirst nicht sterben! Es war nur eine Illusion. Die Medizinmänner machen sich die Einbildungskraft zunutze.«
Plötzlich merkte er, wie sie zusammenbrach. Ihr Kopf fiel an seine Brust und blieb dort, während er ihr übers Haar strich.
»Ich bin so schrecklich müde«, flüsterte sie.
Auf dem Rückweg zur Farm ließen sich Galen und Nola von Hank berichten, wie er Deringa an einem riesigen, weit über den Abgrund hinausragenden Felsen gestellt hatte. Der Aborigine schien auf sonderbare Weise erregt zu sein. Vergebens hatte Hank versucht, ihn vom Rand des Felsens wegzulocken, aber Deringa sprang in den Tod und zerschellte tief unten auf den steinigen Klippen.
Daheim reinigte und verband Galen Nolas Füße; anschließend schlief sie drei Stunden hintereinander. Als sie die Augen aufschlug, war es stockfinster draußen, und er saß neben ihrem Bett.
»Wie fühlst du dich?« Trotz des Kerzenlichts konnte er sehen, daß sie wieder ein wenig Farbe bekommen hatte.
»Klebrig!«
»Ach ja, entschuldige. Ich habe deinen Sonnenbrand mit einem Brei aus Blättern der Aloepflanze eingerieben. Sie hat erstaunliche Heilkräfte. Dadurch wird sich deine Haut nicht pellen oder Blasen schlagen.«
Nola sah sich um. Sie lag in ihrem Zimmer in Langfords Haus. Die Balkontür stand offen, und eine leichte Brise wehte herein. Sie war froh, nicht im Schulgebäude zu sein. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß sie dort jemals wieder würde schlafen wollen. »Ich hatte gehofft, es wäre alles ein Alptraum gewesen ...« Plötzlich überkam sie wieder das Grauen von vorhin.
Galen nahm ihre Hand. »Du hast Schreckliches durchmachen müssen, aber jetzt ist alles vorbei.«
Allem Trost zum Trotz wirkte sie noch immer völlig verängstigt.
»Nola, du glaubst doch nicht immer noch, daß du sterben mußt, oder?«
Sie schlug die Augen nieder. »Nein. Ich war wohl nicht ganz bei Sinnen.«
»Das wundert mich nicht. Du hast unter Schock gestanden.«
Galen wußte, daß Jimmy und Jack überzeugt davon waren, daß sie krank werden und binnen drei Tagen sterben würden. Er hatte sie gewarnt, ihr keine Angst einzujagen. Aber er befürchtete, daß die Aborigines sie merkwürdig anschauen oder sie sogar meiden würden.
»Ich habe mich wie ein Dummkopf verhalten«, seufzte Nola. »Als ich herkam, nahm ich an, ich würde mit allem fertig werden. Ich war ganz sicher, daß mich das Outback nicht besiegen würde. Und jetzt kann ich froh sein, daß ich noch lebe ...« Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen.
»Aber laß dir gesagt sein, daß du dich unglaublich tapfer geschlagen hast!« Er tupfte mit seinem Taschentuch über ihre Wangen.
»Es ist merkwürdig, wie klar das Denken plötzlichwird, wenn man zu sterben glaubt. Man sieht seine ganzen Schwächen und Fehler vor sich ausgebreitet ...«
»Das Leben hier im Outback trägt dazu bei, Schwächen und Fehler unbarmherzig ans Licht zu zerren.«
Nola spürte, daß er aus eigener Erfahrung sprach.
»Und ich hab’ mich nie so ... so verletzlich
Weitere Kostenlose Bücher