Im Land des Eukalyptusbaums Roman
dieser Mann ›Deringa‹ war, der vom Wana-Mara-Stamm verstoßene Medizinmann. Sie erinnerte sich, daß von ihm erzählt worden war. Der Stamm hielt ihn für tot, aber niemand hatte erwähnt, wie und wann er gestorben sein sollte.
Die Höhlenöffnung lag auf der anderen Seite des Feuers, und andere Wege nach draußen gab es nicht. Hier lag Nolas einzige Chance zu fliehen. Sie mußte sich vorsichtig rund um das Lagerfeuer tasten, dem Felsspaltentgegen, und hoffen, daß Deringa in seinem Trancezustand nichts davon bemerkte.
Nola begann, sich an der Felswand entlangzudrücken, wobei sie ihren Wärter nicht aus den Augen ließ. Nur wenn er ihr den Rücken zukehrte, bewegte sie sich millimeterweise vorwärts. Ihr Herz raste, und ein Schwindel erfaßte sie, aber sie zwang sich, bei Bewußtsein zu bleiben.
Plötzlich hielt er in seinem Singsang inne und wandte sich direkt zu ihr um. Sein nahezu unheimliches Wahrnehmungsvermögen versetzte ihr einen Schock, denn sie hatte sich schon mehrere Meter von der Stelle entfernt, wo er sie vorhin achtlos liegengelassen hatte. Seine Augen waren dunkel wie die Nacht, und er starrte sie so unverwandt an, als wolle er ihre Seele mit Blicken durchbohren. Das Haar stand ihm vom Schädel ab, durchzogen von zwei grauen Strähnen, die aussahen, als sollten sie Hörnern gleichen. Seine Haut war ebenholzfarben und von Schweiß überzogen. Die geblähten Nasenlöcher, fast flach im Gesicht liegend, gaben ihm ein furchterregendes Aussehen, aber am bedrohlichsten war seine Körperhaltung. Er richtete einen Speer auf sie, die Knie leicht gebeugt, als wolle er ihn im nächsten Moment auf sie schleudern.
Ganz langsam und Beschwörungen murmelnd stach er immer wieder damit in die Luft. Mit jedem Schritt, den er näherrückte, wurde seine Stimme lauter. Im Gesicht loderte abgrundtiefer Haß. Nola schrie auf und duckte sich. Ihr Rücken berührte das eisige Gestein der Höhle. Sie schloß die Augen, als die Speerspitze nur noch Millimeter vor ihrem Gesicht entfernt war. Der Tod schien ihr unvermeidlich, doch war sieentschlossen, ihn wenigstens nicht kommen zu sehen. Sie wartete ab, aber nichts geschah. Sie öffnete die Augen und sah gerade noch, wie der Aborigine ihr eine Locke vom Haar schnitt. Er wandte sich um und legte sie, unaufhörlich singend und stampfend, sorgfältig zu seinen anderen Besitztümern, die er ausgebreitet hatte. Dann kam er zurück und zerrte sie näher ans Feuer. Sie wurde mit Händen und Füßen am Boden festgepflockt. Sie schrie, aber er ohrfeigte sie so kräftig, daß ihr die Luft wegblieb.
Nola lag eine Weile benommen da und lauschte seinem monotonen Singsang, während er das Feuer umkreiste. Ständig wedelte er sich Rauch ins Gesicht und fuchtelte mit den Armen. Plötzlich hielt er inne, mit dem Rücken zu Nola, warf den Kopf zurück und begann zu stöhnen, während er ganz langsam etwas aus seinem Oberkörper herauszog. Nola blieb das Herz stehen, als sie erkannte, was es war: eine lebende Schlange! Er krümmte sich als habe er Schmerzen, sang aber weiter, während die Schlange nach und nach aus seinem Körper aufzutauchen schien. Als er die Schlange ausgerollt hatte, schwang er sie über den Rauch und schleuderte sie dann Nola vor die Füße. Beinahe wäre sie vor Angst ohnmächtig geworden, als sie die Schlange so nah bei sich züngeln sah.
Eine Zeitlang bewegte sich der Aborigine nicht, dann langte er in seinen Medizinbeutel und holte etwas heraus. Er baute sich vor Nola auf, die mit Schrecken auf seiner ockerfarben und weiß bemalten Brust einen Streifen Blut glitzern sah, obwohl keine offene Wunde zu erkennen war. Er schob ihre Unterhemden zurück, entblößte ihren Bauch, und begann, mit seinen kräftigenFingern in ihr Fleisch zu bohren. Nola schrie jetzt vor Angst, und ihr Schrei brach sich an den Wänden der Höhle. Voller Grauen beobachtete sie, wie Deringa ihr schimmernde Kristalle auf den nackten Bauch legte und in die Haut drückte. Zu ihrem größten Erstaunen verschwanden sie darin. Als er keuchend die Zunge herausstreckte, sah sie ein großes Loch darin klaffen. Er trat zurück und plazierte sorgfälltig einen Knochen so, daß er auf sie zeigte, und intonierte einen Zauberspruch. Seine schwarzen Augen waren riesig, grauenerregend und schienen alles zu umfassen. Sie wußte, er hatte sie soeben verflucht.
Tränen flossen ihr über die Wangen, und sie verspürte einen unerklärlichen Schmerz im Unterleib. Mit geschlossenen Lidern flehte sie zum Himmel,
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