Im Land des Eukalyptusbaums Roman
zu antworten, und auch Jack zögerte zuerst. »Schwarze-Felsen-Gegend. Nicht hingehen, Boss. Ganz, ganz böse Geister!«
»Gibt es irgendeinen Grund, weshalb Dubi Deringas ›Geist‹ Nola entführen will?« erkundigte sich Galen.
»Weiß nicht, Boss. Vielleicht er böse, weil sie Frauenhat ihre Medizin gezeigt. Stamm glauben, er hat Alliras Baby getötet, aber sie Medizin bringen und Kind retten!«
Allira war offenbar identisch mit ›Mary‹. Galen hatte genug gehört.
»Werdet ihr bei der Herde bleiben?« fragte er.
Jack und Jimmy sahen einander an. Dann nickten sie einmütig.
Galen und Hank ritten zum Anwesen zurück und suchten nach Spuren, in der verzweifelten Hoffnung, die Richtung auszumachen, in die Nola entführt worden war. Sie brauchten nicht lange, bis sie die aufgewühlten Stellen im staubigen Erdboden entdeckten und feststellen mußten, daß man Nola gegen ihren Willen weggeschleift hatte.
Rund anderthalb Kilometer folgten sie ihrer Spur. Unterwegs fanden sie zerrissene Fetzen von Nolas Unterkleid. Blutflecken und deutliche Anzeichen dafür, daß sie gestürzt war, versetzten sie in Angst und Schrecken.
»Er hat ihre Hände gefesselt und zerrt sie hinter sich her«, stöhnte Galen wütend.
»Wohin glaubst du, bringt er sie?« fragte Hank.
»Zum Abgrund. Er wird sich denken können, daß wir die Verfolgung aufnehmen, also hat er irgendein Versteck im Sinn. Aber wo? Wohin könnte er sich verkriechen?«
»Gibt’s denn keine Höhlen in der Nähe der Schlucht? Vielleicht auf der Bergseite?« wollte Hank wissen.
Galen musterte ihn durchdringend, dann starrte er zur Felswand, die ein, zwei Kilometer ostwärts lag. »Ich bin nur einmal unten in der Schlucht gewesen, als Jack und ich nach Shannon gesucht haben, abermöglich wäre es. Da gibt’s jede Menge Felsnasen und Überhänge.«
Er sah wieder zu Hank hinüber, und seine Einbildungskraft ging mit ihm durch. Er dachte darüber nach, was Nola eigentlich getan hatte, als sie das Baby rettete. Ohne es zu bemerken, hatte sie Dubi Deringa lächerlich gemacht, der sowieso schon beim Stamm in Ungnade gefallen war. Er würde unbarmherzige Rache nehmen. Überzeugt, daß Dubi Deringa vorhatte, Nola umzubringen, spürte Galen, wie ihm das Blut in den Adern gefror.
Zur gleichen Zeit erreichte Deringa die Höhle. Er schäumte vor Wut. Mehrere Male hatte er Nola angeschrien, hatte sie geschlagen, sie an den Haaren wieder auf ihre Füße gezerrt, um weiterzueilen. Es war ihm gleichgültig, daß ihre weiße Haut von der Sonne furchtbar verbrannt wurde und daß ihre Füße blutig und zerstochen waren. An seiner Unbarmherzigkeit merkte Nola, wie ernst es ihm damit war, sie zu töten. Zum ersten Mal mußte sie ernsthaft um ihr Leben fürchten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, um herauszufinden, was er als nächstes vorhatte.
Nachdem er Nola seitwärts einen steilen, nur stellenweise mit Gras bewachsenen Felsen hinuntergezerrt hatte, brachte Deringa sie zur schmalen Öffnung einer Höhle. Dort ließ er sie an der rückwärtigen Wand liegen. Sie bemerkte einen kleinen Stapel Holz, den er aufgeschichtet hatte, und einige seiner Besitztümer, unter anderen einen Medizinbeutel und einige rituelle Gegenstände. Ihr Entführer war gut vorbereitet.
Während er ein Feuer entfachte, verhielt Nola sichruhig und gab vor, halb ohnmächtig zu sein. Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete sie, wie er einige der Gegenstände neben dem Feuer anordnete und anschließend in eine Art Trance verfiel.
Vorsichtig richtete sich Nola auf. Beißender Schmerz durchzuckte Kopf und die Arme. Als sie die Hände hob und ihr Gesicht betastete, spürte sie klebriges Blut, das aus einer Wunde an ihrer Schläfe sickerte. Der Aborigine schien immer noch in Trance zu sein, während ihm der Rauch ins Gesicht wehte. Jetzt stampfte er rhythmisch mit dem Fuß auf den sandigen Boden, wie zu einem rituellen Tanz. Seine Augen traten glasig hervor, und gelegentlich berührten seine Fußsohlen die rote Kohlenglut des Feuers, ohne daß er auch nur zurückwich.
Nola warf einen Blick auf die Utensilien, die er bereitgelegt hatte, und war schockiert, unter den Emufedern, Knochen, Stöckchen und Quarzgestein ihre Armbanduhr zu sehen. Die Uhr fehlte ihr seit mindestens zwei Tagen. Überall hatte sie danach gesucht, bis sie endlich zu dem Schluß gekommen war, daß sie ihr vom Handgelenk gerutscht sein mußte, als sie vom Wana-Mara-Lager zurückkehrte. Plötzlich kam ihr der Verdacht, daß
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