Im Land des Eukalyptusbaums Roman
nicht.«
»Galen vielleicht?«
»Für ihn kann ich nicht sprechen.«
»Bitte lies mir eine Geschichte vor, Miss Grayson!«
Nola hatte Shannon fest in die Bettdecke gewickelt und lächelte. »Einverstanden. Ich hole ein paar von den neuen Büchern, die ich mitgebracht habe, und du darfst dir die Geschichte aussuchen.«
Galen saß mit Heath und Keegan am Kaminfeuer, wo sie ihr Zaumzeug reinigten. Überall in der Hütte roch es nach Pferd, Öl und Leder. Als Nola an ihnen vorüberging, spürte sie Galens argwöhnischen Blick auf sich ruhen.
Sie kehrte mit den Büchern zurück und fand Galen im Schlafzimmer bei Shannon. Er saß auf der Bettkante, mit dem Rücken zur Tür, und hörte Nola nicht kommen, die im Türrahmen stehenblieb. »Miss Grayson wird mir was vorlesen«, hörte sie Shannon sagen.
»Wirklich?« Galens Stimme war tonlos. Er beugte sich vor und küßte seiner Tochter die Stirn.
»Ich glaube, ich mag Miss Grayson. Du auch, Papa?« wollte Shannon wissen.
Nola erstarrte. Einen Moment lang herrschte gespanntes Schweigen.
»Ich glaube nicht ...« begann er.
Noch bevor er ausreden konnte, unterbrach Nola. »Ich bin wieder da, Shannon!« Als sie vor das Bett trat, wandte sich Galen zum Gehen. In seinem Blick lag Bedauern. Er ahnte, daß sie ihn belauscht hatte und seine Worte mißverstand. In Wahrheit hatte er sagen wollen: »Ich glaube nicht, daß ich sie gut genug kenne, um mir ein Urteil erlauben zu können.« Tief im Innersten wollte er sie gar nicht erst kennenlernen, um sie womöglich zu mögen. Niemals wieder wollte er etwas für eine Frau empfinden.
Eine halbe Stunde später schlief Shannon tief und fest. Nola wünschte Heath und Keegan gute Nacht, die noch immer am Feuer saßen und Ringe und Messingknöpfe des Zaumzeugs auf Hochglanz polierten. Sie hatte sich kaum ein paar Schritte vom Haus entfernt, als sie hörte, wie ihr Name gerufen wurde. Als sie sich umdrehte, sah sie Galen, der aus dem Schatten der Veranda auftauchte. Offenbar hatte er auf sie gewartet.
»Darf ich Sie einen Moment sprechen, Miss Grayson?«
Sie blieb beim unpersönlichen Ton, der zwischen ihnen herrschte. »Gewiß, Mr. Hartford.«
Er sprach leise, aber drohend. »Ich hatte ausdrücklich darum gebeten, daß Sie sich nicht mit meinen Kindern einlassen, besonders nicht mit meiner Tochter. Und doch unterlaufen Sie meine Bemühungen, indem Sie anfangen, die Mutterstelle bei ihr einzunehmen.«
Nola gab sich Mühe, ruhig zu bleiben. »Ich versuche doch gar nicht, Shannon die Mutter zu ersetzen.«
»Und wieso lesen Sie ihr Gutenachtgeschichten vor?«
»Weil sie mich darum gebeten hat. Ich kann nicht kaltund herzlos zu einem kleinen Mädchen sein, das meine Freundschaft sucht.«
»Dieses Problem würde gar nicht erst auftreten, wenn Sie ein Mann wären.«
Nola taumelte beinahe zurück. Als sie sich wieder einigermaßen gefaßt hatte, war sie unglaublich wütend.
»Es gibt einiges an mir, Mr. Hartford, das mir nicht gefällt. Ich wünschte, ich wäre nicht so groß, und ich bedaure häufig, daß ich freimütig und direkt bin. Manchmal wäre es mir lieber, ich würde Nähen und Stricken bevorzugen und nicht Pokern und Schwimmen. Aber noch nie in meinem Leben habe ich auch nur eine Sekunde lang bereut, eine Frau zu sein. Und das wird auch nie geschehen!«
Galens Augen wurden schmal.
»Bei Ihnen gibt es Männer im Übermaß, Mr. Hartford. Glauben Sie nicht, daß es gut für Shannon wäre, wenn sie gelegentlich mit einer Frau zusammen ist? Ich bin vielleicht nicht das ideale Rollenvorbild für sie, aber wenn sie gesund aufwachsen soll, muß sie auch mit Frauen und anderen kleinen Mädchen leben.«
»Ist das Ihre berufliche Meinung, Miss Grayson?«
»Nein, Mr. Hartford. Es ist meine persönliche Überzeugung. Und wenn Sie ehrlich wären mit sich selbst, um fair mir gegenüber zu sein, müßten Sie mir recht geben.«
»Ich habe Sie nicht nach Ihrer persönlichen Meinung gefragt, Miss Grayson. Sie hatten recht in ihrer Selbsteinschätzung; Sie sind zu direkt.«
»Manchmal ist das aber notwendig, besonders dann, wenn meine Motive angezweifelt werden. Man hat mir diese Position angeboten, gerade weil ich keine typische Frau bin.«
Galen schob höhnisch die Unterlippe vor. »Ach ja? Wie das?«
»Ich klatsche nicht gern und verzichte gern auf Einkaufsbummel, und ich glaube, daß Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Anders als die meisten sogenannten ›Ladies‹ in London, habe ich eine eigene Meinung und keinerlei
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