Im Land des Eukalyptusbaums Roman
unbefangen mit Galen zu sprechen wie jetzt mit Hank. Er wirkte so unnahbar. Ein Mann, der nur Männer ernst nahm. Hank seinerseits war viel umgänglicher. Obwohl sie sich erst kurze Zeit kannten, hatte Nola das Gefühl, mit ihm über alles reden zu können.
Als das Bett zurechtgerückt war, fing Nola an, es zu beziehen. Hank sah ihr dabei zu und reichte ihr Kissenbezüge und das Laken.
»Was haben Sie denn heute gemacht?« erkundigte sie sich.
»Im Morgengrauen sind wir zum Flußtal hinunter, um nach Rindern zu suchen, die im Schlamm steckengeblieben sind.«
»Im Schlamm! Am Flußufer, nehme ich an.«
»Es ist kein Fluß mehr da, Nola. Er ist abgeflossen.«
Sie konnte sich das trockene Flußbett kaum vorstellen, nachdem es erst gestern solche Mühe gemacht hatte, den reißenden Strom zu überqueren.
»Die Rinder spüren dort Pfützen auf, die aber so rasch verdampfen, daß sie dann im Schlamm steckenbleiben. Wenn die Dingos sie nicht anfallen, kommen die Aasgeier. Ein paar Rinder konnten wir herausziehen, aber für die meisten kam jede Hilfe zu spät.«
»Wie schrecklich!«
»Ja. Aber so ist das nun mal im Norden Australiens.«
Nola schüttelte erschüttert den Kopf.
»Nachmittags haben wir die Zäune einer Koppel ausgebessert. Morgen beginnt der Auftrieb der Herde.«
»Das klingt nach harter Arbeit für Sie und Galen, selbst wenn die Jungs mithelfen.«
»Mit einem halben Dutzend Treibern dauert es höchstens ein paar Tage. Wir werden Wochen dafür brauchen. Ein paar Kilometer von hier haben wir Jimmy Jumpbuck und Jack Emu getroffen. Sie werden uns morgen helfen. Kräftige Kerle sind das, und erstklassige Arbeiter. In ganz Australien finden Sie keinen, der Pferde so gut zureiten kann wie Jimmy. Jack kann einen Ochsen in Rekordzeit einfangen und fesseln. Angeblich rennt er schneller als ein Emu, und das will einiges heißen.«
»Shannon hat erwähnt, daß Jimmy und Jack auf Wanderschaft gehen. Wer sind sie, und was soll das heißen – ›Wanderschaft‹?«
»Sie sind Aborigines-Hirten. ›Wanderschaft‹ heißt, daß sie weggehen, wenn ihnen danach ist. Dann sind sie wochenlang unterwegs, manchmal werden Monate daraus. Nie bleiben sie längere Zeit an einem Ort. Ihre Lebensweise ist eben anders. Sie sind Halbnomaden, verstehen Sie? Nur gut, daß sie normalerweise im September zurückkommen, wenn wir das Vieh zählen. Sie sind exzellente Buschkenner und wissen mehr vom Überleben in der Wildnis, als wir je erfahren werden.«
»Warum lernen wir nicht von ihnen?«
»Sollten wir auch. Statt dessen bringen wir ihnen unser Wissen bei. Eigentlich ist das Unsinn, ich weiß.«
»Haben sie Familie? Frau und Kinder?«
»Ja. Aber sie leben nicht auf der Farm. Mr. Reinhart will hier keine Frauen haben.«
Nola wollte aufbrausen. »Kein Wunder, wenn Jimmy und Jack auf Wanderschaft gehen. Sie wollen doch sicherlich bei ihren Familien sein!«
»Ihre Familien gehen mit. Der ganze Stamm ist unterwegs.«
»Ach so. Gibt es viele Stämme in der Gegend?«
»Ja, einige. Vier oder fünf, würde ich sagen, vielleicht mehr.«
»Gibt es manchmal Konflikte zwischen den Stämmen, oder zwischen Stämmen und weißen Siedlern?«
»Ab und zu schon. In der Vergangenheit hat es viele Morde gegeben, auf beiden Seiten. Die Weißen jagten die Schwarzen, und die Schwarzen brachten die Farmer um. Aber jetzt haben wir seit langer Zeit keinen Ärger mehr gehabt. Die meisten der hiesigen Stämme sind friedlich, wenn man sie in Ruhe läßt.«
Nola war ein wenig beunruhigt, aber auch neugierig.
»Ich würde gern mehr über die Aborigines erfahren, ihre Sitten, ihre Religion.«
Hank schaute verblüfft auf. »Jimmy und Jack können Ihnen dabei helfen. Sie sprechen ganz gut Englisch. Beide sind unter Weißen aufgewachsen. Ihre Mütter haben auf Farmen gearbeitet, glaube ich. Wer weiß, vielleicht sind sie bereit, Sie zu ihrem Stamm zu bringen.«
»Glauben Sie wirklich?« fragte Nola ganz aufgeregt.
»Fragen schadet nicht. Aber passen Sie auf, daß Mr. Reinhart nichts davon mitbekommt.«
Nola war empört. »Was ich in meiner Freizeit mache, ist ja wohl meine Privatangelegenheit.«
»Er sieht das bestimmt anders.«
»Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, daß er mit mir nichts zu tun haben will, und ich gedenke nicht, ihm mitzuteilen, was ich außerhalb der Schule mache.«
Hank hob die Brauen. »Aber er hat Mittel und Wege, es herauszufinden!«
»Sie werden mich doch nicht verraten, oder, Hank?«
»Ich bestimmt
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