Im Land des Eukalyptusbaums Roman
Mann so menschenverachtend und kalt, wie Sie es sind!« rief sie. »Was ist passiert in Ihrem Leben, das so schreckliche Folgen hatte?«
Nola spürte, daß sie damit einen wunden Punkt, ein finsteres Geheimnis berührt hatte, und doch fühlte sie kein Mitleid mit dem alten Mann. Instinktiv ahnte sie, daß etwas anderes dahintersteckte, das ihr Mitleid verdiente. Obwohl sie Langford nicht deutlich sehen konnte, spürte sie den Haß, der in ihm schwelte. Es war, als wagte er nicht zu antworten – aus Furcht, eine Welle des Zorns freizusetzen, so groß, daß sie alles mit sich reißen und zerstören würde.
Während er sie schweigend vom obersten Treppenabsatz her beobachtete, umklammerten seine knochigen Hände das Geländer derart fest, daß es in der Stille des Hauses hörbar knackte. Nola wandte sich um und verließ ihn, unfähig, den Schauer des Widerwillens zu bewältigen, der ihr den Rücken herunterlief.
Am anderen Morgen erhob sich Nola wieder bei Sonnenaufgang. Galen war bis Mitternacht nicht zurückgekommen, weshalb sie bei den Kindern in der Hütte geblieben war. Der Tag war ruhig, die Sonne stand wieder hell am stahlblauen Himmel. Nur eine dicke, rötliche Staubschicht, die sich über alles gelegt hatte, zeugte noch vom Unwetter des gestrigen Tages. Eine Stunde brauchte sie, um die Möbel in der Hütte einigermaßen abzustauben. Da sie kein Wasser verschwendenwollte, gab sie sich mit Kehrschaufel und Besen zufrieden.
Als Nola sich nach draußen wagte, hingen dicke Wolken am Himmel, doch nichts deutete auf den Regen hin, den sie innerlich herbeisehnte, und sei es nur, um endlich den gräßlichen Staub fortzuspülen. Shannon und Keegan ließ sie noch schlafen und suchte selbst nach den Eiern. Shannon hatte ihr die bevorzugten Legeplätze der Hennen gezeigt. Nachdem sie die Eier eingesammelt hatte, versuchte sie, die Kuh zu melken, wobei sie nur wenig Glück hatte. Das Tier wollte einfach nicht stillhalten und warf mit einem Huftritt auch noch den Eimer um.
Es war Samstag, und Nola fragte sich, ob Hank noch immer den Ausflug nach Julia Creek unternehmen wollte, wenn die Männer zurückkamen. Sie hielt es für eher unwahrscheinlich, nach dem, was sie von Galen gehört hatte. Vermutlich nutzten sie jede freie Minute, um die Rinder zusammenzutreiben. Beim Füttern der Tiere sah sie, wie sich eine große Staubwolke am Horizont türmte. Erst glaubte sie, es wäre ein Willy-willy, aber dann entdeckte sie drei Reiter in der Wolke. Keegan hatte ihr mitgeteilt, daß für die Viehzählung ein Camp errichtet worden war. Jimmy und Jack blieben vermutlich draußen bei den Rindern, die sie zusammengetrieben hatten.
Nola wartete zwischen den Boxen und sah, wie sich Galen, Hank und Heath näherten. Sie waren über und über mit rotem Staub bedeckt.
»Wir haben fünf Kilometer von hier übernachtet«, erklärte Hank. Weder Galen noch sein Sohn würdigten sie eines Blickes.
»Wie klappt es denn mit dem Auftrieb?« erkundigtesich Nola. Ein Blick auf Galens Gesichtsausdruck sagte alles.
»Nicht besonders«, bestätigte Hank. »Bis jetzt haben wir nur fünfzig Tiere beisammen. Die Ochsen sind überall auf dem Gelände verteilt. Es wird Wochen dauern, sie alle zu finden.« Er saß ab. »Haben Sie immer noch Lust, nach Julia Creek zu reiten?«
Nola spürte, wie Galen sie verächtlich musterte. »Wollen Sie denn noch?«
»Klar. Ich muß einen Brief für Mr. Reinhart wegbringen.« Achselzuckend wandte er sich zu Galen um. »Wir werden bloß ein paar Stunden weg sein. Anschließend komme ich sofort zum Camp zurück.«
»Ich kann auch allein reiten«, bot Nola an. »Geben Sie mir den Brief doch mit. Desto mehr Zeit bleibt Ihnen für den Auftrieb.«
»Nein«, widersprach Galen bestimmt. »Wenn Sie unbedingt hinmüssen, wird Hank Sie begleiten.« Ohne eine Antwort abzuwarten, führte er sein Pferd in den Stall.
Nola wußte nicht, was sie davon halten sollte. Traute er ihr nicht einmal zu, einen Brief zur Postkutsche zu bringen? Oder war es zu gefährlich, allein auszureiten? Trieb sich etwa ein feindlicher Stamm der Aborigines in der Gegend herum?
»Ich mache dann erst mal Frühstück«, verkündete sie.
Hank grinste. »Hört sich gut an. Wir sind völlig ausgehungert.«
Natürlich blieb Galen nicht verborgen, daß sie versucht hatte, die Kuh zu melken: der umgekippte Schemel, die Milchreste am Erdboden. Er drehte sich um und sah sie verzweifelt an.
Hank folgte seinem Blick. »Hat wohl nicht ganz geklappt, das Melken
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