Im Land des Falkengottes. Amenophis
Säulen, zum Wasserbecken hin ausgerichtet, standen in Stein gehauene Göttinnen in langem Gewand, mit einer Hörnerkrone geschmückt. In ihren Händen trugen sie vor dem Körper offene Wasserkrüge, aus welchen unaufhörlich Wasser über ihr Gewand hinab in das Becken lief. Fürst Imresch bemerkte meinen staunenden, ja mehr fragenden Blick und erklärte: «Durch die Säulen und die Figuren laufen kleine Kanäle und Röhren, und das Wasser kommt von einem über uns liegenden Becken, welches vom Garten aus ständig gespeist wird.»
Mit der rechten Hand wies Imresch auf die gegenüberliegende Türe, dann zeigte er mir mit sichtbarem Stolz einige andere Räume seines Palastes.
In einem weiträumigen Anbau lagen die Gemächer für die Gäste. Diener schafften unser Gepäck herbei, und Senu, Cheruefund ich räumten unsere Sachen aus. Während der kurzen Zeit unseres bisherigen Aufenthaltes im Hause Imreschs hatte ich noch keine einzige Frau gesehen, geschweige denn ein junges Mädchen.
Der Diener, den mir Imresch zuteilte, hieß Marbiti. Er war etwa so alt wie ich, siebzehn Jahre, und hatte wie alle Diener ein rasiertes Gesicht, woraus ich schloss, dass nur freie Männer einen Bart tragen durften. Er stammte aus Bit-Jakinu, der Hauptstadt des Meerlandes, weit südöstlich von Babylon. Marbiti war sehr umgänglich, und ich hatte während meines gesamten Aufenthaltes bei Fürst Imresch keinen Anlass, mich über ihn zu beklagen.
Nachdem alles eingeräumt war, legte ich mich hin und schlief, bis Senu mich weckte. Er hatte mein Bad vorbereitet. Im Gegensatz zu unseren Bädern, die sehr nüchtern ausgestaltet sind, stellten die Baderäume hier wahre Palastgärten dar. Mitten zwischen üppigen Pflanzen, die Orchideen genannt wurden, standen Bronze- und Steinfiguren unterschiedlichster Gottheiten, und aus allen möglichen künstlichen Öffnungen plätscherte Wasser in das mit glasierten, dunkelblauen Fliesen belegte Wasserbecken. Das Wasser war heiß und roch nach Ölen, die mir zwar bekannt vorkamen, aber ihr Duft war doch ein anderer, als bei uns am Nil. Ich hatte auf unserer langen Reise ohnehin die Beobachtung gemacht, dass Vieles anders schmeckte, anders roch, als dieselben Dinge zu Hause. Die Palmen am Nil verströmten einen anderen Geruch, als die Palmen in Byblos oder am Euphrat. Ja selbst der Wein, den wir mit uns führten, schmeckte hier anders, als in Ägypten. Nach dem Bad wurde ich zwischen üppig wachsenden Blumen und Sträuchern zu einem kleineren Becken geführt, und dort übergoss mich ein Diener mit kaltem Wasser. Zuletzt hatte ich mich auf eine Holzbahre zu legen. Nun wurde ich von oben bis unten auf das wohltuendste massiert und miteinem Öl eingerieben, dessen Duft mich an unreife Zitronen erinnerte.
Senu half mir beim Ankleiden und schminkte mich. Ich holte aus meinem Gepäck ein kleines Kästchen hervor und stellte es auf den Tisch neben meinem Bett. Ich bestaunte in meinem Zimmer noch eine ganze Weile die fremdartigen Möbelstücke, die Götterfiguren und die wunderbaren Blumen in kostbaren Alabastervasen, bis etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang Marbiti eintrat und mich fragte, ob er mich zum Essen geleiten dürfte. Ich nahm mein Kästchen und folgte ihm. Wir versammelten uns nicht im Inneren des Hauses, sondern auf einer großen Terrasse, die zum Garten führte. Unter einem gelben Sonnensegel lagen bunte Kissen, daneben waren auf niedrigen Tischen die Speisen schon bereitgestellt. Acha und Cheruef standen mit Fürst Imresch im Garten und ließen sich von ihm Bäume und Sträucher erklären, als Senu, Marbiti und ich unbemerkt vor das Haus traten. Ich traute meinen Augen nicht: Acha trug babylonische Kleidung. Einen dunkelblauen knöchellangen, quer gefalteten, mantelartigen Rock mit weiten Ärmeln, der um die Hüften von einem breiten gelben Ledergürtel zusammengehalten wurde.
«Jetzt fehlt dir nur noch schulterlanges Haar und ein bis auf die Brust reichender, schwarzer Bart», rief ich ihm zu.
«Nicht alle Männer in Akkad und Sumer, und schon gar nicht in Babylon, tragen schulterlanges Haar und schwarze Bärte», hörte ich hinter mir eine weiche Mädchenstimme sagen. Geschwind drehte ich mich um. Ein groß gewachsenes Mädchen, gehüllt in glatt herabfallende rote Seidengewänder, mit langem dunkelbraunen Haar, das zu unzähligen dünnen Zöpfen geflochten war, stand vor mir. Ich brachte kein Wort heraus. Stattdessen verneigte ich mich tief, wobei ich fieberhaft in meiner Aufgeregtheit
Weitere Kostenlose Bücher