Im Land des Falkengottes. Amenophis
Stärke anbefohlen hat!»
Nach alter Sitte schlugen die Soldaten mit den Schwertern gegen die Schilde, erst langsam, dann immer schneller werdend, bis der Lärm unerträglich war. Als Nimuria sein Schwert emporhob, verstummte der Lärm, und es öffneten sich die zwei gewaltigen Torflügel.
Ich warf einen letzten Blick zu Merit und meinen Eltern, dann fuhren die ersten beiden Wagenreihen, angeführt von ihren Hauptleuten, nebeneinander aus dem Hof. Ihnen folgte der goldene Prunkwagen Pharaos, dem sich die nächsten zwei Wagenreihen unter meiner und Hauptmann Merires Führung anschlossen. Die Bewohner der Stadt säumten die Straßen und jubelten ihrem Herrscher zu. All die vielen Menschen und ihr Jubel konnten mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns auf ein gefährliches Abenteuer einließen und dass mancher von uns nicht zurückkehren würde.
Merit und ich hatten deswegen in der letzten Nacht kaum ein Auge zugetan. Erst saßen wir mit meinen Eltern auf unserer Terrasse, dann allein im Fenster unseres Schlafzimmers und zuletzt, als wir eng umschlungen im Bett lagen, wischte ich heiße Tränen von ihren Wangen.
Ein Tross von Maultieren mit Teilen unserer Verpflegung, den Zelten und Waffen, war zwei Tage vorher aufgebrochen, um ein Lager einzurichten. Ein weiterer bereits vier Tage vorher, dieser richtete das zweite, weiter entfernte Lager ein. So kamen wir zügig voran und erreichten schon nach vier Tagen das Gebiet der ersten Stromschnelle, die auch «Böses Gewässer» heißt. Diese Granitbarre zwischen den Inseln Abu und Pirek bildet seit alters her die Grenze zu Nubien, sie wurde deswegen auch «Enge südliche Türöffnung» genannt. Segelboote brachten Pharao und uns Offiziere auf die Insel Abu. In der uralten Festung erwartete uns Merimes, der Königssohn von Kusch.
Merimes begann, wie so viele Beamte, seine Laufbahn in der Verwaltung des Amuntempels, und übte dort die Ämter eines Rindervorstehers und Bauleiters des Amun aus. Noch unter Osiris Thutmosis wechselte er in die königliche Verwaltung über und wurde Vermögensverwalter, Vorsteher der königlichen Schreiber und Leiter der Bauarbeiten des Königs. Imletzten Regierungsjahr von Pharao Thutmosis wurde er zum Königssohn von Kusch bestimmt. Trotz seines fülligen Äußeren war Merimes wendig wie eine Katze. Kurze schwarze Locken zierten sein Haupt, und an beiden Ohren trug er starke Goldringe, wie das im Süden bei Männern allgemein beliebt war. Auch bei uns trugen im Laufe der Zeit immer mehr hochgestellte Beamte, selbst Pharao, Ohrringe. Sehr zur Freude seiner Herrscher verabscheute Merimes im Übrigen einen prunkvollen Lebenswandel, doch es gab Gerüchte über sagenhafte Schätze, die er angeblich in seinem Palast in Napata verbarg.
Ohne große Umschweife ließ sich Amenophis von Merimes und seinem ersten Offizier über den Aufenthaltsort der Aufrührer und über die Stärke ihrer Truppen berichten. Das Heer Pharaos wurde aus dem Gebiet zwischen Buhen, südlich der Insel Abu, und der Stadt Terj, das im Süden noch hinter Napata liegt, ausgehoben. Es lag jetzt in der Stadt Kumma, wenig südlich der zweiten Stromschnelle am Ostufer des Flusses, wo die Soldaten bewaffnet und ausgebildet wurden.
Südlich der zweiten Stromschnelle, beginnend mit der Stadt Gemai, wurde das Niltal eng, das Land karg. Im Osten reichten die Felsen bis an das Ufer des Flusses heran, im Westen der Sand der Libyschen Wüste. Dort, wo sich der Atbara im Norden von Butana in den Fluss ergießt, südlich der fünften Stromschnelle, da vermutete Merimes die Truppen der Aufständischen und ihrer Verbündeten von Irem, Tiurek und Weresch.
In gewaltigen Märschen zog unser Heer, das jetzt mehr als sechstausend Mann zählte, entlang des Flusses über Amara, Sesebi, die dritte Stromschnelle und Dongola nach Süden. Dann macht der Fluss einen langen Bogen in nordöstliche Richtung, vorbei an Meroe, Napata und der vierten Stromschnelle, bis er nach vier weiteren Tagesmärschen ab Abu Hamedwieder nach Süden läuft, zur fünften Stromschnelle. Wenig südlich führt eine uralte Handelsstraße nach Osten zum Roten Meer, von wo aus man mit dem Schiff nach Punt reisen kann. Folgt man dem Lauf des Atbara, der von Südosten in den Nil fließt, gelangt man in das Land und in die Berge der Äthiopier.
Zwischen der fünften Stromschnelle und der Mündung des Atbara schlugen wir unser Lager auf. Die Mannschaften hatten drei Tage Zeit, um sich von den anstrengenden Märschen zu
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