Im Land des Falkengottes. Amenophis
mitten ins Herz. Amenophis durchschoss seinem Opfer den Hals, und der Mann sank tot zusammen, noch ehe er die Hände bis zu den Wunden hochheben konnte. Einer der Nubier lag gekrümmt am Boden, wimmerte leise und röchelte. Ohne ein Wort zu sagen, nahm Nimuria einen zweiten Pfeil, und ein gezielter Schuss durch den Hals beendete auch dessen junges Leben. Alle fünf waren tot, und weil wir nichts mehr von ihnen zu befürchten hatten, befahl Ameni sofort den Abstieg zu den Wagen, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Wir durften nicht noch mehr Zeit verlieren.
Eine Flut von Gedanken brach über mich herein, völlig ungeordnet, Gedanken an Merit, mein Zuhause, den von mir getöteten Nubier, an meine Eltern und immer wieder an den Nubier, dessen Gesicht ich nicht einmal gesehen hatte. Ich wusste nicht recht, was ich wirklich über den Tod des mir völlig fremden Menschen fühlen sollte. Einerseits spürte ich einen gewissen Stolz, war ich doch durch diese Tat ein Soldat geworden, der seine Pflicht tat. Andererseits überlegte ich, was die Frau des Getöteten, was seine Familie empfinden würde, wenn sie von dessen Tod erfuhren. Ich glaube, dass Ameni ähnlichen Gedanken nachging, denn auch er ging mit regungsloser Miene neben seinem Wagen und schien seineUmwelt kaum wahrzunehmen. Die Bürde, die auf Amenis Schultern lastete, wog ungleich schwerer.
Ohne weitere Behinderung erreichten wir den Handelsweg. Er war bedeutend breiter als der Pfad, auf dem wir bislang gefahren waren. Da die Zeit drängte, ließ Amenophis alle aufsteigen und die Pferde im Trapp losmarschieren. Kurz bevor die Handelsstraße in das weite Tal einmündete, machten wir Halt. Nimuria ließ die Tücher von den Rädern und den Hufen der Pferde nehmen, und mit den Fetzen den Nilschlamm von den Waffen, der Rüstung und den Wagen entfernen. Alle durften sich ein letztes Mal stärken, ehe es in die Schlacht ging. Zuletzt rief er die vier Hauptleute und den Vorsteher der Leibgarde zu sich, und erteilte in knappen Worten den Aufmarschbefehl. Dann jagten wir los, denn jeden Augenblick würde die Sonne über den östlichen Hügeln emporsteigen. Als wir den Eingang des Tales erreichten, sahen wir links unterhalb von uns, an der nördlichen Flussmündung, das feindliche Lager, und weiter rechts, nach Norden zu, das Heer der Aufrührer, das gerade laut johlend auf die Fußtruppen Merimes zumarschierte. Die Nubier waren ein wilder Haufen, der eine Schlachtordnung nicht erkennen ließ. Die Schlachtordnung Merimes dagegen war beeindruckend. In vier großen Abteilungen, die leicht halbkreisförmig aufgestellt waren, traten sie dem Feind gegenüber. Das Geschrei der feindlichen Krieger wurde durch den gleichmäßigen ohrenbetäubenden Schlag unserer Kriegstrommeln, zu deren Takt unsere Soldaten marschierten, übertönt.
Pharao, umgeben von sechs Wagen seiner Leibgarde, blieb in der Mitte des Feldes stehen. Rechts und links neben ihm nahmen je neunzig Streitwagen in Zweierreihen Aufstellung. Mit zwei roten Fahnen gab uns Merimes zu verstehen, dass er uns gesehen hatte und begann den Angriff. Langsam rollten unsere Wagen erst in südwestliche Richtung. Während derFahrt zogen wir die Reihen auseinander, sodass alle Streitwagen in einer breiten Front aufmarschierten. Senu, der mir all die Tage nicht von der Seite wich, nahm jetzt das schwere Lederschild in die linke Hand und warf einen letzten prüfenden Blick auf die vielen Pfeile, die in den Köchern des Wagens steckten. Alle Augen waren auf Pharao gerichtet, der, für alle weithin sichtbar, wieder den blauen Chepresch, den Kriegshelm, trug. Seine Linke hielt die Zügel des Wagens. Dann erhob er die rechte Hand, die den mächtigen Bogen umklammerte, und gab so das Zeichen zum Angriff. Die Pferde wechselten in schnellen Galopp, und vor einer immer größer werdenden Staubwolke flogen wir den Feinden entgegen.
Während wir uns näherten, gingen die zwei mittleren Heeresgruppen Merimes auseinander und öffneten so den verbliebenen zwanzig Streitwagen den Weg auf den Feind. Sie trieben in die Mitte des feindlichen Heeres einen breiten Keil, in welchen sofort unsere Soldaten nachstießen, um die Truppen Ichenis endgültig zu spalten. Als wir uns bis auf zweihundert Ellen dem Feind genähert hatten, schossen wir die ersten Pfeile ab. Die nubischen Krieger bemerkten den Aufmarsch der Streitwagen in ihrem Rücken erst spät, da ihre ganze Aufmerksamkeit bislang nur unseren Fußtruppen gegolten hatte.
Umso wirkungsvoller war
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