Im Land des Falkengottes. Echnaton
über die Truppen, die zum Bau Achet-Atons abgezogenwerden sollten, übernehmen zu müssen. Stattdessen schlug er Pharao vor, seinen Sohn Haremhab mit dieser Aufgabe zu betrauen.
Haremhab war einundzwanzig Jahre alt und somit für einen Oberst der Streitwagentruppe noch sehr jung. Er war ein Sohn von Ptahmays zweiter Frau, weswegen der Altersunterschied zwischen Vater und Sohn auch so groß war. Haremhab, durch und durch Soldat, war groß von Gestalt und muskulös, wie es Nimuria in seinen besten Tagen war, als wir gegen das elende Kusch zogen. Er hatte ein kantiges Gesicht und fein gekräuselte, soldatisch kurz geschorene Haare. Unter einer hohen, durch eine Narbe gezeichneten Stirn fielen die säuberlich gestutzten Augenbrauen, eine wohlgeformte, aber kleine Nase und lebhafte, ja unruhige grüne Augen auf. Seine Lippen waren schmal, und wenn er lachte, sah man gleichmäßige weiße Zähne. Für seine Körpergröße hatte er auffallend kleine Hände mit zierlichen, eleganten Fingern, deren Nägel sorgfältig gepflegt waren. Sein Benehmen und sein Auftreten waren tadellos und zeugten von guter höfischer Erziehung. Trotz seines nicht zu übersehenden Ehrgeizes war Haremhab gehorsam und ein ergebener Diener der Maat. Mein Vater hätte über ihn gesagt, dass er ein vollkommener General sei.
In den wenigen Tagen, die wir in Men-nefer verbrachten, entging mir allerdings nicht, dass ihm die schönsten Frauen zu Füßen lagen. Er aber begehrte nicht die jungen Mädchen, die zierlichen, die in beinahe kindlicher Unbedarftheit nach dem Abenteuer der Liebe suchten, sondern es waren die reifen und erwachsenen Frauen, die, die das Leben kannten. Und sie waren durchweg älter als er. Es war wohl dieser Umstand, der dazu führte, dass er sich reifer und erwachsener gab, als er aussah und tatsächlich war.
Seit ihrer ersten Begegnung war Echnaton von Haremhab angetan, und schon nach wenigen Unterredungen stand für Pharao fest, dass der junge Offizier die Soldaten befehligen würde,die zum Bau Achet-Atons abkommandiert werden sollten. So erhielt Haremhab am Tag vor unserer Abreise den Auftrag, aus den über Beide Länder verteilten Divisionen fünftausend Soldaten auszuwählen, um sie auf Befehl Pharaos nach Achet-Aton zu führen. Ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass Echnaton mit Haremhab für diese gewaltige Aufgabe die richtige Wahl getroffen hatte.
Obwohl wir gegen den träge dahinfließenden Strom nach Süden fuhren, glitt unser Schiff, getrieben von einem erfrischend kühlen Nordwind und unter vollen Segeln, gleichsam schwerelos über die unendlich scheinende Wasserfläche des Nils. Ich sah die weiß leuchtenden Städte und Dörfer entlang des Flusses, manche von ihnen waren mehr als tausend Jahre alt. Wie immer, wenn ich an ihnen vorüberfuhr, konnte ich mich an ihrer Schönheit, ihrer Anmut und an der üppigen Landschaft, die sie umgab, nicht satt sehen. Diesmal jedoch empfand ich etwas wie Mitleid bei ihrem Anblick. Ich empfand Mitleid, weil ich ahnte, wie prächtig Echnaton seine Stadt errichten würde, und wie unscheinbar, wie ärmlich all die alten Städte im Vergleich zum Glanz und zur Pracht Achet-Atons auf den Besucher wirken würden. Die Augen Ägyptens und der übrigen Welt würden nur noch auf Achet-Aton gerichtet sein, auf die Tempel und Paläste dieser Stadt, auf ihre Gärten und ihre Straßen. Über die ruhmreiche Vergangenheit Ägyptens, die in On und in Men-nefer, in Saqqara und Achmim, in Waset und auf Abu beheimatet war, über sie würde man nicht mehr sprechen. War es das, was Merire meinte, als er vom Gedächtnis der Menschen sprach und Echnaton davor warnte, es zu unterschätzen?
Nicht einmal in meinen kühnsten Träumen wagte ich mir vorzustellen, welche Kräfte Echnaton in Bewegung setzen, wie viele Menschen er kommandieren und welche gewaltigen Berge an Baumaterial er transportieren lassen musste, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Sein Ziel war die Erhebung Atons überalle anderen Götter des Landes, und diesem Ziel wurde alles andere untergeordnet. Sein ganzes Denken, alles, was er tat, war nur auf dieses Ziel hin ausgerichtet.
Nimuria erhob gegen das Vorhaben seines Sohnes keinerlei Einwände. Er kritisierte weder die Ausmaße des Vorhabens, noch die Lage der künftigen Stadt, und auch nicht die Tatsache, dass sie allein dem Aton geweiht werden sollte.
«Im Grunde bin ich dankbar, dass er den Schwerpunkt des Aton-Kultes auf eine andere, neue Stadt überträgt», sagte Ameni zu
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