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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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meinen Schreiber gerade anweisen, ihn zu verbrennen, da ich seinen Inhalt für belanglose Wichtigtuerei hielt. Doch ich besann mich anders und las ihn stattdessen noch einmal. Ich geriet ins Grübeln. Wer mochte der Verfasser dieses Zettels sein? Und warum sollte ich zum Totentempel der Hatschepsut kommen?
    Ich wandte mich wieder meinen Gärtnern zu, um mit ihnen die Bepflanzung meiner Teiche abschließend zu klären, doch mir ging der Inhalt des kleinen Zettels nicht aus dem Sinn. Ich erinnerte mich jetzt meines Vetters Anen, der mich einst warnte und am nächsten Tag tot aufgefunden wurde. Ich dachte an den Balsamierer von Men-nefer, der mich sprechen wollte, doch zuvor ermordet wurde. Und ich hatte Isis vor Augen, die sterben musste, nachdem sie von mir weggegangen war. Ich überlegte, ob mich der unbekannte Schreiber wieder vor einer ernst zu nehmenden Gefahr warnen wollte und ob die Warnung mit Ramose oder den übrigen Priestern Amuns zu tun haben könnte. Ich nahm die Botschaft ernst und entließ für heute meine Besucher.
     
    Trotz der Hitze des Nachmittags machte ich mich sofort auf den Weg zu Turi, dem Leiter der Polizei von Waset-Ost. Ich ging ohne Voranmeldung zu ihm, und so war er reichlich erstaunt, als ich plötzlich in seinem Arbeitszimmer stand.
    Nach einer knappen Begrüßung sagte ich: «Dies hier», und ich überreichte ihm dabei das sorgsam gefaltete Schriftstück, «hat vor einer Stunde ein unbekannter Bote bei meinem Schreiber abgegeben. Sieh es dir an!»
    Turi zog die Augenbrauen nach oben, und sogleich durchfurchten zahllose Falten seine hohe Stirn. «Weißt du irgendetwas damit anzufangen?»
    Ich schüttelte schweigend den Kopf: «Deswegen bin ich ja zu dir gekommen. Nach meinem letzten Erlebnis mit der Musikerin will ich nichts mehr ohne deinen Rat und ohne dein Wissen unternehmen.»
    Der zufriedene Gesichtsausdruck des Polizeiobersten verriet mir, dass er meine Entscheidung für richtig hielt.
    «Entweder», sagte er und sah dabei wieder auf den Papyrus, «will man dich wirklich vor einem Anschlag auf Pharao warnen, oder man will dich in eine Falle locken und beseitigen.»
    Dann sah er wieder mich an und fuhr fort: «Am meisten aber stört mich, dass uns der geheimnisvolle Informant nicht verrät, welcher der beiden Herrscher in Gefahr sein soll.»
    «Dass ich mich vielleicht in eine Gefahr begeben könnte, kümmert dich also weniger», entrüstete ich mich, ohne mich dabei selbst sonderlich ernst zu nehmen. Turi blickte mich an und schwieg. Dann ging er zum Fenster und sah hinaus.
    Ohne sich umzudrehen, begann er zu sprechen: «Ich schicke noch heute Nacht zwanzig meiner zuverlässigsten Polizisten zum Tempel, damit sie sich dort unauffällig bis morgen früh versteckt halten und dich beschützen, falls etwas Unvorhergesehenes geschieht.»
    Jetzt drehte er sich wieder zu mir um und sagte: «Ist dir das genug?»
    Was blieb mir anderes übrig?
    Es fiel mir schwer, mit Ti darüber zu reden. Ich konnte sie aber über mein Vorhaben nicht im Unklaren lassen. Sie machte mir schwere Vorwürfe, weil ich mich so widerspruchslos als Lockvogel zur Verfügung stellte, ohne wenigstens mit Nimuria oder Echnaton darüber gesprochen zu haben. Ich hielt ihr entgegen, dass die Zeit drängte und dass es nicht möglich war, beide Herrscher ausreichend zu unterrichten, ohne unser Vorhabenzu gefährden. Sie ließ das nicht gelten, und so geschah es seit vielen Jahren zum ersten Mal, dass wir uns, ohne uns eine gute Nacht gewünscht zu haben, schlafen legten.
     
    Zwei Stunden vor Sonnenaufgang brach ich auf. Mir war ganz und gar nicht wohl zumute, denn sollte wirklich ich das Opfer eines Anschlages sein, brauchte mich mein Mörder erst gar nicht bis zum Tempel von Osiris Maat-ka-Re zu locken. Er konnte mich auch in einer der vielen Gassen von Waset, auf dem Fluss oder in dem gegenüberliegenden Wüstenstreifen umbringen. So wählte ich auf meiner Fahrt zum Hafen Straßen und Wege, die ich sonst nie nehmen würde. Unbehelligt erreichte ich das Ufer. Der Fährmann war reichlich erstaunt, so früh am Morgen einen einzelnen Fahrgast übersetzen zu müssen, aber mein Siegelring überzeugte ihn schnell von der Notwendigkeit, mir Gehorsam zu leisten.
    Als ich mich der mächtigen Tempelanlage näherte, begann es allmählich zu dämmern, und ich erkannte die lange und schmale Auffahrt zu ihrer ersten Terrasse. Ich ließ meinen Streitwagen in unmittelbarer Nähe stehen, um mir im Falle eines Angriffes die Möglichkeit

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