Im Land des Falkengottes. Echnaton
Gesicht.
In knappen Worten berichteten Turi und ich, was sich in den letzten beiden Tagen ereignet hatte. Auch die Miene Echnatons wurde jetzt zusehends ernster, und noch bevor ich meinen Bericht beendet hatte, schickte Nafteta zwei Dienerinnen weg, damit sie nach den Prinzessinnen Meritaton und Maketaton sahen.
«Und was schlagt ihr jetzt vor?», fragte Echnaton zuletzt. Ich wusste auch keinen Rat.
«Wer im Palast kennt wirklich jeden Eurer Diener von Angesicht?», erkundigte sich Turi. Echnaton und Nofretete sahen sich kurz an, dann sagte Nofretete:
«Aper-el. Aper-el müsste jeden einzelnen Bediensteten von Angesicht kennen.»
«Dann lasst ihn so schnell wie möglich mit einer Liste all EurerDiener in den Audienzsaal kommen, und gebt dem Kommandanten der Leibgarde Befehl, ausnahmslos alle Diener, die hier im Palast beschäftigt sind, dorthin zu bringen», schlug Turi vor. Ohne eine Antwort Pharaos abzuwarten, setzte ich mich an einen Tisch und schrieb den Befehl. Echnaton siegelte ihn, und Turi schickte damit einen von jenen Soldaten, die vor der Tür standen, zu Merimaat, dessen Befehlshaber.
Der große Audienzsaal war mit Menschen gefüllt wie bei einem Staatsempfang. Alle Ausgänge waren scharf bewacht, und auch vor den Thronen standen Soldaten mit Lanzen, Streitäxten und Schwertern. Als die königliche Familie eintrat, warf sich die Dienerschaft Pharaos zu Boden und verharrte so lange bewegungslos, bis sie sich auf meinen Befehl hin wieder erheben durfte. Die meisten von ihnen hatten zum ersten Mal diesen Saal betreten, und viele standen zum ersten Mal vor dem Guten Gott.
Aper-el rief zuerst die Vorsteher der Küche, des Weinkellers, der Wäscherei und der übrigen Dienerschaft zu sich. Sie alle waren über jeden Verdacht erhaben. Dann wurden alle Bediensteten der einzelnen Abteilungen anhand der Liste Aper-els nach vorn gerufen und von ihm und dem jeweiligen Vorsteher in Augenschein genommen. Diejenigen, die mit einem Schulterkragen bekleidet waren, mussten ihren Rücken entblößen, damit ich sehen konnte, ob einer das Zeichen des Widders trug. Wer die Überprüfung bestanden hatte, musste den Saal durch einen gesonderten Ausgang wieder verlassen und konnte an seine Arbeit gehen. Wir kamen nur langsam voran, doch nach und nach lichteten sich die Reihen. Als nur noch zwanzig oder dreißig Diener auf ihre Überprüfung warteten, schrie einer von ihnen laut auf und lief mit gezücktem Messer nach vorn, geradewegs auf Echnaton zu. Während er lief, brüllte er: «Sei verflucht im Namen Amuns, du Verräter!»
Er kam nicht weit, denn sein wütender Lauf endete unterSchreien des Entsetzens vor dem Thron Pharaos in den Spießen und Schwertern der Soldaten. Während er mit weit aufgerissenen Augen dalag und Blut aus den Stichwunden und aus seinem Mund quoll, sprang Echnaton von seinem Thron auf und rief: «Wer hat dich geschickt? Sag es mir!»
Mit einem höhnischen und überheblichen Blick starrte der Sterbende seinen Herrscher an, und mit dem letzten Atemzug wiederholte er: «Sei verflucht … Echnaton!»
Dann sackte er zusammen und schwieg für immer.
Weil er einen Halskragen aus getrockneten Blumen trug, ging ich zu ihm und schob – angewidert von diesem Dreck der Erde – den Halskragen nur mit der Sandale etwas zur Seite, um mir seinen Rücken ansehen zu können. Dicht unter der rechten Schulter erkannte ich den Widder des Amun.
Es war also noch nicht zu Ende. Trotz oder gerade wegen der Verbannung Ramoses ließen die Priester Amuns nicht nach, der königlichen Familie mit allen Mitteln nachzustellen, sie vor aller Augen zu verhöhnen und zu beleidigen, ihr zu drohen, ja sogar zu versuchen, sie zu ermorden.
Echnaton und Nofretete überlegten lange, ob sie die gesamte Priesterschaft des Verborgenen vor ihre Throne zitieren sollten. Doch wozu?
Wollte Echnaton nicht ohnehin die Stadt verlassen, um bald nach Achet-Aton zu ziehen? Würden sie nicht wie immer alle Schuld von sich weisen und ihre Mittäterschaft an dem geplanten Anschlag leugnen?
Jetzt erinnerte sich Echnaton der Weisheitslehre für Sesostris, den Sohn des ermordeten Amenemhet, welche Nofretete im Schatzhaus des Merire in On gelesen hatte: «Es gibt keinen, der des Nachts stark ist, keinen, der allein kämpfen kann, keine Tat ist erfolgreich ohne einen Helfer», sprach er langsam und nachdenklich einen Satz aus der Lehre wortgetreu vor sich hin. Sein Gedächtnis war einfach einzigartig.
Ich riet Echnaton, mit der Leiche des
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