Im Land des Falkengottes. Echnaton
in Wahrheit ging, was er aber nie zugeben würde, selbst mir gegenüber nicht: Alle sollten es sehen.
Was nützte es ihm, sich aus dem Frauenpalast das wundervollste Geschöpf dieser Erde kommen zu lassen, aufgeputzt und hergerichtet wie eine jungfräuliche Braut, duftend wie blauer Lotos, eingeweiht in die geheimsten und schönsten Dinge der Liebe, wenn dieses Geschöpf bei Nacht wieder verschwand, unerkannt,unbeachtet und keiner sprach: Da, seht Nimuria, den starken Stier, dem die Schönsten der Beiden Länder, die Schönsten der Erde zu Füßen liegen wie vor dreißig Jahren!
Wollte, ja konnte er denn in seinem Zustand überhaupt noch die Ehe vollziehen, wenn denn die Prinzessin wirklich käme? Diesen Gedanken musste ich für mich behalten, denn selbst mir hätte er einen Zweifel daran nie und nimmer vergeben. Aber jetzt wusste ich, warum es Taduchepa sein musste und keine andere, zumindest keine andere, die unbeachtet bleiben würde. Es schien mir sinnlos, auch nur ein Wort mehr darüber zu verlieren und zu versuchen, ihn umzustimmen. Seine Entscheidung war längst gefallen, und wie mir Acha berichtet hatte, war der Tross mit der königlichen Braut in seiner Mitte schon auf dem Weg an den Nil.
Ich hatte nicht die geringste Vorstellung davon, was ich meiner Schwester Teje sagen würde, wenn ich ihr wieder gegenübertrat. Es gab nichts zu erklären, und es gab nichts zu beschönigen. Die Heirat Nimurias mit der Prinzessin aus dem Königreich der Mitanni war für Ameni und für den ganzen Hof eine längst beschlossene Sache. Ich schrieb es ihr, wie es war, und beschloss in nicht gerade mannhafter Art, meine Rückkehr nach Achet-Aton so lange hinauszuschieben, wie es eben nur ging. Ich schilderte ihr und Echnaton den bedenklichen Gesundheitszustand Nimurias und dass ich es für unverantwortlich halten würde, ihn jetzt allein zu lassen. Nach diesem Brief war mir nicht wohl zumute, vielmehr fühlte ich mich richtig elend.
Ich hatte Kelija, den Abgesandten König Tuschrattas, anders in Erinnerung. Als er mir vor dreißig Jahren im Königspalast von Merwer gegenübertrat, machte er auf mich einen undurchsichtigen, vielleicht sogar hinterhältigen und verschlagenen Eindruck. Ich traute ihm einfach nicht, und dazu trug damals gewiss auch die Warnung des alten und weisen Bürgermeisters Sobekhotep bei.
Kelija schien ein völlig anderer geworden zu sein. Sein Auftreten war freundlich, aber nicht schmeichlerisch. In allem, was er sagte, wirkte er stets höflich und zuvorkommend. Über andere Menschen kam ihm nie ein beleidigendes oder abfälliges Wort über die Lippen, selbst wenn er vielleicht einen Grund dafür gehabt hätte. Alles, was ich von ihm hörte, was ich von ihm sah, hinterließ bei mir den Eindruck eines von Grund auf anständigen und ehrlichen Menschen. Obwohl er so lange Gesandter seines Landes war, er jede Hinterhältigkeit kannte oder zumindest kennen musste, glaubte ich jetzt fest daran, dass kein unwahres Wort über seine Lippen kam. Hätte er mit blutverschmierten Händen und mit einem Messer in der Hand neben einem Toten gestanden und mir beteuert, er sei es nicht gewesen, der diesen Menschen tötete, ich hätte es ihm geglaubt, ohne auch nur einen Augenblick an seinen Worten zu zweifeln. Eine Eigenschaft machte ihn allerdings unheimlich oder sogar gefährlich: Kelija vermochte im Laufe eines Abends einen Krug Wein zu trinken, ohne dass man ihm die geringste Wirkung anmerkte. Weder begann er, wirr zu reden, übertrieben lustig zu werden noch gar zu schwanken.
Das war selbst Nimuria aufgefallen, und in seinen anerkennenden Worten darüber war ein gewisser Neid nicht zu überhören.
Kelija war mit einem Trupp Soldaten dem Tross der Prinzessin Taduchepa vorausgeeilt, damit dessen Eintreffen ausreichend vorbereitet und die Braut würdig empfangen werden konnte. So verbrachte ich drei Abende mit dem Abgesandten Tuschrattas, und obwohl er so viel älter war als ich, schienen ihm diese Abende, an denen wir reichlich Wein getrunken hatten, weniger zu schaffen zu machen als mir.
Je mehr die Prinzessin mit ihrem Gefolge näher kam, umso unruhiger wurde Nimuria. Seit Tagen hatte er sein Schlafgemach kaum mehr verlassen, und immer wieder klagte er mirsein Leid wegen seiner Gebrechlichkeit, sodass ich den Eindruck gewann, ihn reute die bevorstehende Heirat zunehmend.
«Ob sie über meinen Anblick entsetzt sein wird?», war eine der Fragen, die er mir in diesen Tagen am häufigsten stellte. Ich
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