Im Land des Falkengottes. Echnaton
Haus der Reinigung brachten, damit er dort von den Balsamierern für das jenseitige Leben vorbereitet wurde.
Ich sah in die Gesichter der vielen Menschen, die um ihren Guten Gott trauerten, und in allen sah ich Tränen. Die meisten von ihnen kannten keinen anderen König als Nimuria, beinahe neununddreißig Jahre des Herrschens sind eine lange Zeit.
Wieder ging Kija neben mir einher und mir schien, als suchte sie wirklich bei mir Schutz und Halt. Außer ihrem eigenen Gefolge kannte sie niemanden, den sie jetzt um Hilfe und um Rat hätte fragen können. Ich wies sie auf dem Weg zum Totentempel leise flüsternd an, wie sie sich zu verhalten hatte, wo sie gehen und wo sie stehen musste. Sie dankte es mir durch ein flüchtiges Lächeln, nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass es niemand sah, denn als Prinzessin kannte sie die Tücken eines Königshofes zur Genüge.
Endlich schritten wir zwischen den beiden gewaltigen Sitzfiguren Nimurias hindurch in den ersten Hof des Totentempels. Ein schaurig-schöner mehrstimmiger Gesang unzähliger Priesterinnen empfing uns hier, dessen Melodie gleichmäßig auf und ab ging wie die Wellen des Meeres. Wir durchschritten einen zweiten Hof mit Figuren Nimurias und Tejes, mit Statuen der Göttin Sachmet und mit Sphingen des Verborgenen. Den Eingang zum dritten Hof bewachten zwei Figuren Nimurias aus Alabaster, und von dort führte eine lange, von Widdersphingen flankierte Allee zu einem Sonnenhof mit einer Vielzahl von Standfiguren Pharaos von mehr als fünfzehn Ellen Höhe. Nach Südwesten öffnete sich der Zugang zu den Hallen der Balsamierer. Dorthin entschwand Amenophis unseren Blicken, damit siebzig Tage der Trauer gehalten wurden, bis Pharao seine letzte Reise in das Totental antrat.
Ich stand lange und schweigend vor dem Zugang zu dieser Halle, und Angst und Abscheu kamen über mich. Ich erinnerte mich jetzt der Stunden, die ich in den schrecklichen Hallen der Balsamierer in Men-nefer verbracht hatte, als ich nach dem unerklärlichen Tod des jungen Thronfolgers Prinz Thutmosis auch bei den Dienern des Todes nach Spuren suchte. Obwohl ich versuchte,mich gegen diese Vorstellungen zu wehren, sah ich im Geiste, wie sie Ameni auf der linken Seite aufschnitten, um alle Organe und die Gedärme zu entfernen, wie sie mit einem langen Bronzestab, an dessen Ende sich ein winziger Widerhaken befand, durch die Nase in das Innere des Kopfes vorstießen, um Stück für Stück das Gehirn des Toten zu entfernen. Und ich sah, wie sie seinen massigen Körper in eine Unmenge Natron betteten, damit ihm alle Flüssigkeit entzogen wurde, bis nur noch die ausgetrocknete, lederne Hülle seines Körpers übrig blieb.
Diese Bilder ließen mich nicht mehr los, bis wir wieder in den Palast der leuchtenden Sonne zurückgekehrt waren.
Die Einsamkeit, die ich in meinem Palast in Waset litt, war unerträglich. Ohne Ti, ohne Mutnedjemet und in dem Bewusstsein, dass es auch Ameni nicht mehr gab, zu dem ich hätte flüchten können, schienen die Tage kein Ende nehmen zu wollen. Ich kehrte deshalb in den Palast der leuchtenden Sonne zurück, weil ich dort Cheruef um mich hatte und Kelija, den Gesandten König Tuschrattas, der seine Rückkehr nach Mitanni für die Zeit nach der Bestattung Nimurias verschoben hatte.
Dem Wesir, Acha und mir fiel es schwer, das Schatzhaus des toten Pharao aufzusuchen, um mit der Auswahl der Grabbeigaben zu beginnen. Ich selbst hatte die Schatzkammern Amenis seit vielen Jahren nicht mehr besucht und fühlte mich jetzt als Eindringling. Umso erstaunter war ich, als ich sie jetzt betrat. Ich kannte den Reichtum, den Nimurias Vater Thutmosis hinterlassen hatte. Ich hatte vor dem Bau der großen Tempel von Waset die Schätze Amuns gesehen, und ich hatte vor Jahren das heimlich angehäufte Vermögen von Merimes, des Königssohnes von Kusch, bestaunt. Der Schatz Nimurias, der hier im Palast der leuchtenden Sonne lag, stellte alles, was ich bisher gesehen hatte, in den Schatten. Das Schatzhaus hatte keinerlei Fensteröffnungen, sodass wir es im dämmrigen Schein von Fackeln undÖllampen nicht sehr lange darin aushielten, denn die Luft in seinem Innern war heiß und stickig. Acha, der den Schatz Nimurias gut kannte, ließ von Soldaten der Leibgarde auf seine genaue Anweisung hin verschiedene Kostbarkeiten herausbringen und in den jetzt schwer bewachten Audienzsaal schaffen. Dort nahmen wir jedes einzelne Stück in Augenschein und entschieden, ob es eine Grabbeigabe Nimurias werden
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