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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Nicht um meine Eltern, nicht umMerit und nicht um Ti. Ein Leben an der Seite meines Freundes, des liebsten Menschen, den ich mir je vorzustellen vermochte, war zu Ende. Unzählige Bilder flogen an meinen Augen vorüber, Bilder eines langen, gemeinsamen Lebens. Ich sah ihn, wie er an meinem ersten Schultag im Palast von Men-nefer den Klassenraum betrat und wie er allein und hilflos vor dem Totenbett seines Vaters Thutmosis stand. Ich sah ihn, wie er sich nach seiner Krönung dem Volk zeigte: Mit der Doppelkrone Ägyptens, einen schweren Goldkragen auf den Schultern, mit Zeremonialbart und mit Geißel und Krummstab. Ich sah ihn, wie er sich auf seine Feinde stürzte und wie er mir im Steinbruch von Tura das Leben gerettet hatte. Immer und immer wieder sah ich ihn in anderer Gestalt, bis ich meinen Kopf erhob und ihn ansah, der neben mir lag, mit zufriedenem Gesicht, als wüsste er jetzt im Tode um alles, was es zu wissen galt. Und erst jetzt, als ich ihn wie aus weiter Entfernung anstarrte, war mir bewusst: Nimuria, der Herr der Beiden Länder, Sohn des Re, Herrscher von Ober- und Unterägypten, der Gute Gott, Amenophis merchepesch war Osiris, war tot.
     
    Ich trat vor das Schlafgemach, wo die beiden Ärzte und die Leibdiener Amenis gewartet hatten. Es brauchte keiner Worte, denn ein Blick in mein Gesicht genügte, um ihnen die schlimme Ahnung zur Gewissheit werden zu lassen.
    «Geh», sagte ich mit leiser Stimme zum Ersten, «und verständige seine Tochter, die Große königliche Gemahlin Sitamun und die königliche Gemahlin Kija. Und du gehe zum Wesir, damit er alles veranlasse, was jetzt getan werden muss.»
    Dann kehrte ich mit den beiden Ärzten zurück ins Schlafgemach Pharaos, damit sie den Tod unseres Herrschers bezeugten.
     
    All die Großen aus Waset betraten voll Ehrfurcht und gebeugt von tiefer Trauer den großen Audienzsaal des Palasts. Amenophis wurde vor seinem Thron aufgebahrt, umgeben von einemMeer tiefblauer Kornblumen, denn nur ihre Farbe war dem Lapislazuli, den Ameni ein Leben lang so sehr geliebt hatte, am ähnlichsten. Der tote Pharao trug das Nemes-Kopftuch, und von seiner Stirn ragten Geier und Kobra empor. Vor seiner Brust hielten die gekreuzten Arme Geißel und Krummstab.
     
    «O Götter, diese Götter, an denen ich vorbeigehe,
    ich preise Euch, wenn Ihr mir Eure Arme reicht,
    Ihr jubelt über den Anblick meiner Sonnenscheibe.»
     
    Mit diesem Gesang betraten die Priester des Amun den Saal, während aus zweiundzwanzig Weihrauchpfannen der heilige, weiße Rauch emporstieg, damit sein Wohlgeruch die Götter Ägyptens versöhnlich stimmte. Ein Priester mit einer schwarzen Anubismaske umrundete in gesetzten Schritten die Bahre und schwenkte einen goldenen Arm, aus dessen geöffneter Hand ebenfalls Weihrauch emporstieg, vor seinem Körper hin und her. Sitamun, die von ihrem Vater in den Rang einer Großen königlichen Gemahlin erhoben worden war, stand allein zur Rechten des Toten und vertrat ihre Mutter, die noch immer in Achet-Aton weilte. Sie würdigte Kija und mich, die ihr auf der anderen Seite der Bahre gegenüberstanden, keines Blickes. In ihren Augen war Kija schuldig, weil sie Amenophis geheiratet und so über sie und ihre Mutter Teje Schande gebracht hatte. Und ich war schuldig, weil ich es trotz der flehentlichen Bitten meiner Schwester nicht verhindert hatte. Aber hatte Ameni mich nicht auf dem Sterbebett gebeten, dass ich mich auch um das Mädchen kümmerte?
     
    «Wie Du bist, so bin auch ich.
    Dein Wandel ist ja mein Wandel,
    Dein Dahineilen ist ja mein Dahineilen.
    Meine Fahrt ist Deine Fahrt, o Re,
    mein Dahineilen ist Dein Dahineilen.»
     
    Da standen Acha und seine Frau Iset in der ersten Reihe der Trauernden, gemeinsam mit dem alten Wesir Ramose, der von sich selbst nie geglaubt hätte, dass er einmal seinen Herrscher überleben würde. Leer war sein Blick, ohne Entsetzen und ohne Trauer. Er sah nur kurz hinauf in das Antlitz des Mannes, dessen Herrschaft er mehr als siebenunddreißig Jahre begleitet hatte. Acha aber ließ seiner Trauer freien Lauf. Träne um Träne rann über seine Wangen, und ähnlich wie ich mochte er sich jetzt an die vielen Erlebnisse seit den Tagen unserer gemeinsamen Schulzeit erinnert haben. Dann sah er zu mir herüber, presste, um nicht laut loszuweinen, die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf, als wollte er den Verlust unseres Freundes nicht wahrhaben. Da standen aber auch Cheruef, einstmals mein Schreiber und seit vielen Jahren

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