Im Land des Falkengottes. Echnaton
Mutnedjemet versuchte nicht, meinem Bericht vom Sterben Nimurias auszuweichen, womit ich bei einer jungen Frau ihres Alters gerechnet hätte. Vielmehr wollte sie, dass ich ihr das Hinscheiden Amenis genau und in allen seinen Einzelheiten schilderte, als wäre es eine spannende Geschichte aus einem fernen Land, die ich ihr da erzählte. Für sie war es das vielleicht auch.
Schließlich erzählte ich von der Beisetzung Pharaos und ihrer Vorbereitung, wobei ich immer wieder unauffällig den Namen Kija zur Sprache brachte, bis mich Mutnedjemet plötzlich unterbrach: «Nicht wahr, Vater, sie gefällt dir!»
Auf diese Art Unterbrechung war ich ganz und gar nicht eingestellt, doch was wollte ich einem so aufmerksamen Mädchennoch vormachen? Eine bessere Gelegenheit, offen und ehrlich mit meiner Tochter zu sprechen, hätte sich wohl kaum ergeben.
«Ja, sie gefällt mir sehr gut. Ich nehme aber an, dass ich für sie viel zu alt bin. Es fehlt nicht viel, und sie könnte meine Enkelin sein.» Ich war gespannt, was sie jetzt sagen würde.
«Ob du für sie zu alt bist, das könnte nur sie entscheiden, wenn sie es denn dürfte. Für dich stellt sich doch nur die Frage, ob sie nicht zu jung für dich ist. Und das scheint ja nicht der Fall zu sein.»
Ich gestand meiner Tochter an diesem Abend ganz offen, wie sehr mich diese Frau in ihren Bann gezogen hatte, und Mutnedjemet war mir deswegen nicht einmal böse. «Hat sie denn deine Zuneigung einmal ernsthaft erwidert», fragte sie mich, und ehe ich eine Antwort geben konnte, musste ich erst einmal überlegen.
Mein Zögern war Mutnedjemet Antwort genug: «Wenn du schon darüber nachdenken musst!»
«Wahrscheinlich hast du Recht. Es ist seltsam: Während all unserer Gespräche hat Kija mich nicht ein einziges Mal bei meinem Namen genannt. Sie fand immer einen Weg, es zu vermeiden, mich mit Namen anzusprechen. Und auf keinen meiner Briefe bekam ich je eine Antwort von ihr, obwohl sie mir mehrfach versicherte, wie sehr sie sich über meine Briefe freute.»
Ein langes und gewiss gewolltes Schweigen meiner Tochter zwang mich geradezu, im Inneren Kija loszulassen. Aber ich musste mir eingestehen, dass letztendlich die Hinwendung, das Zeigen von Zuneigung, immer nur von mir ausgegangen waren. Es war nicht leicht für mich, mir dies einzugestehen. Nie zuvor hatte ich ein solches Auf und Ab, ein Hinwenden und Abwenden erlebt, wie in der Beziehung zwischen Kija und mir. Es hatte Tage gegeben, da nahm sie mich so sehr für sich ein, dass ich mit ihr hätte fliehen mögen, irgendwohin, wo uns niemand kannte und wo wir niemandem darüber, was wir taten, Rechenschaft schuldig waren. An anderen Tagen gab sie sich mir gegenüberso fremd und so kalt, dass ich mir vornahm, nie wieder auch nur ein einziges Wort mit ihr zu wechseln.
Ich erzählte Mutnedjemet an diesem Abend aber auch, welche Sorgen nicht nur Teje und ich uns Echnatons wegen machten, sondern dass Waset nach dem Tod Nimurias kurz vor einem Aufruhr gestanden hatte. Aber selbst meine erst siebzehnjährige Tochter schüttelte augenblicklich den Kopf und war sich sicher, dass Echnaton seine Stadt niemals verlassen würde. Sie sagte das so voller Überzeugung, wie ein Schulkind, das schon längst weiß, dass zwei und zwei vier ist.
Ich erklärte ihr in allen Einzelheiten, warum Pharao nicht in Achet-Aton bleiben konnte. Ich erinnerte sie daran, dass die Vertreibung der fremdländischen Hyksos und die erneute Vereinigung der Beiden Länder von Waset aus betrieben worden waren, dass es die Priester des Amun gewesen waren, die dafür ein großes Vermögen geopfert hatten und deshalb glaubten, für immer den Machtanspruch ihrer Stadt durchsetzen zu können. Und ich erklärte ihr, wie mächtig die Priester des Amun noch immer waren.
Ganz gleich was ich erzählte, immer wenn ich meine Tochter ansah, schüttelte sie verneinend den Kopf.
«Er wird nicht gehen», sagte sie und sprach erneut aus, was im Grunde auch für mich längst Gewissheit geworden war.
«Teje und du, ihr werdet alles nur noch schlimmer machen, wenn ihr versucht, ihn umzustimmen.»
Die Warnung Mutnedjemets war gewiss nicht unbegründet, doch wir durften es nicht unversucht lassen, welche Folgen dies auch nach sich ziehen mochte. Ich war mir nur zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher, ob es besser war, ohne Zögern und mit den vereinten Kräften aller Großen des Landes zu versuchen, ihn umzustimmen, oder ob wir langsam und mit zunehmendem Druck sicherer zum Ziel kommen
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