Im Land des Falkengottes. Echnaton
königliche Flotte den Hafen von Waset verließ, herrschte in der Stadt eine Stimmung, wie sie bedrückender nicht hätte sein können. Es war eine Stimmung zwischen Hoffen und Drohen, zwischen dem Hoffen des Volks, Teje und ich würden Echnaton und Nofretete doch noch dazu bewegen können, der Stadt des Aton den Rücken zu kehren, und dem unverhohlenen Drohen der Priester, Pharao zur Rückkehr zu zwingen, gleich mit welchen Mitteln.
Wie wir befürchtet hatten, war uns die Nachricht von der starren Haltung Echnatons überallhin vorausgeeilt. Immer stellte man uns dieselben Fragen, hörten wir das gleiche flehentliche Bitten. Einzig Kija schien nicht beunruhigt zu sein, denn bei ihr überwog die Neugier auf die ferne Stadt, auf die fremdartigen Tempel und Paläste, die merkwürdigen Figuren und Abbildungen der Herrscherfamilie. Die Sorge um die Zukunft Ägyptens teilte sie nicht mit uns. Ihr Schicksal konnte sich im Trubel der noch so jungen Stadt nur zum Besseren wenden. Hoffte sie gar, das Augenmerk Pharaos auf sich zu lenken? Ich versuchte erst gar nicht, es ihr auszureden.
Während der vielen Stunden, die ich bei Tag und Nacht allein auf meinem Schiff verbrachte, dachte ich darüber nach, mit welchen Argumenten ich Echnaton von der Notwendigkeit einer Umkehr überzeugen konnte. In der wenigen Zeit, die uns bei den Aufenthalten an Land blieb, sprach ich mich mit Teje ab und fragte sie nach ihrer Haltung zu meinen Überlegungen.
«Das alles habe ich ihm schon gesagt», war ihre einsilbige Antwort zu allem, was ich ihr vortrug. «Du wirst sehen, Eje, er wird sich immer wieder an seinen Schwur klammern. Und sieh dich vor, dass es nicht noch schlimmer kommt!»
Noch Schlimmeres war für mich gar nicht vorstellbar. Ich ahnte nicht, was sie damit gemeint hatte. Doch aus Angst davor, dass sie mir tatsächlich Schlimmeres offenbaren würde, fragte ich sie nicht danach.
Echnaton bereitete uns einen Empfang, der des Herrschers selbst würdig gewesen wäre. In den vier Monaten meiner Abwesenheit schien Achet-Aton nochmals gewachsen zu sein, es erschien mir noch herrlicher und prächtiger als je zuvor. Den gesamten Hafenbereich, der dem Stadtpalast vorgelagert war, ließ Pharao für uns schmücken, wie Amenophis einst das südliche Ipet-sut zum Opetfest hatte schmücken lassen: Blumen, soweit das Auge reichte, Fahnen am jeden Masten, Musikanten und Soldaten, wohin man nur sah. Und dazwischen, auf einer eigens dafür errichteten Tribüne, stand die königliche Familie. Je mehr ich all des Prunks und der Pracht gewahr wurde, umso mehr beschlich mich der schlimme Verdacht, dass sich Echnaton durch den Tod seines Vaters gleichsam wie von einer Last befreit fühlte, dass er aufatmete, weil er den alles überragenden Vater, den allmächtigen Amenophis nicht mehr über sich spürte.
Trotz allen Streits, den es hier vor Wochen noch gegeben hatte, hielt Echnaton seine Mutter zur Begrüßung liebevoll in seinen Armen, und alle anderen waren ohnehin aufrichtig erfreut, sie wieder zu sehen. Wie immer bei solchen Anlässen begrüßte ich auch diesmal das Herrscherpaar demutsvoll mit einer tiefen Verneigung und sprach nochmals, nachdem ich das schon in meinem Brief getan hatte, Echnaton mein Bedauern über den Tod seines Vaters aus. Ich wünschte ihm – für alle Umstehenden deutlich vernehmbar – alle Weisheit dieser Welt, damit Ägypten von ihm mit Umsicht und zum Segen der Herrscherfamilie und des ganzen Volkes regiert werde. Echnaton kannte mich nur zu gut, als dass er nicht gewusst hätte, was sich hinter meinem Wunsch verbarg. Er beließ es bei einem Kopfnicken, das von einem milden und gütigen Lächeln begleitet wurde.
«Diesen Ring gab mir deine Mutter nach ihrer Ankunft in Waset. Durch seine Macht war ich berechtigt, das auszuführen, was du von mir verlangt hast.»
Ich hielt Echnaton den Ring auf meiner offenen Handflächeentgegen: «Nimm ihn zurück, denn hier in Achet-Aton steht es mir nicht zu, ihn länger zu tragen.»
Er nahm meine Hand, schloss den Ring darin ein und sagte dabei: «Behalte ihn und benutze ihn da, wo du es für richtig hältst!»
Ich verneigte mich schweigend, jedes weitere Wort wäre zuviel gewesen.
Jetzt küsste ich meine Tochter Nafteta zur Begrüßung auf beide Wangen und drückte sie, all die strengen Regeln, die es sonst zu beachten galt, außer Acht lassend, fest an mich. Ihre Körperhaltung schien mir dabei steif, doch vermutlich war das weniger dem Hofzeremoniell geschuldet als
Weitere Kostenlose Bücher