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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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selten an ihm gesehen hatte. Ich meinte sogar eine einzelne Träne auf seiner Wange zu sehen.
    Seine Lippen bebten, als er mit leiser Stimme zu sprechen begann: «Wer würde so etwas wagen? Wer würde so viel Gemeinheit besitzen und Maat mit Füßen treten wollen?»
    «Das, was du geschaffen hast, und das, was du zu tun vorhast, entspricht in ihren Augen nicht Maat. Vergiss das nicht, Echnaton! Sie werden sich zuletzt im Recht wähnen und behaupten, sie seien es gewesen, die Maat wieder hergestellt hätten. Hast du ihre Gemeinheit und ihre Bereitschaft, Gewalt auszuüben, schon vergessen? Hast du schon vergessen, dass sie schon einmal einen Mörder in deinen Palast geschickt haben?»
    Ich glaubte, er würde jetzt weinen und vor Kummer zusammenbrechen. Ich hoffte, dass er noch an diesem Tag den Befehl zur Rückkehr nach Waset geben würde, um seinem Volk zu zeigen, dass er allein es war, der die Geschicke Ägyptens fest in Händen hielt. Ja, ich war mir sicher, dass ich es geschafft hatte. Stattdessen verhärtete sich sein Gesichtsausdruck, er presste die wulstigen Lippen zusammen, die Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und seine Nasenflügel begannen, wie im Zorn zu beben.
    «Ich werde einen Weg finden, Eje. Es gibt einen Weg, der allen gerecht wird – Aton, mir und meinem Volk! Aber keinem soll es gelingen, mein Werk, meine Träume zu vernichten. An der Größe Atons, an der Größe meines Willens und meiner Macht werden sie an ihre Grenzen stoßen. Sei dir dessen gewiss, Eje!»
    Es klang bedrohlich, was er zu mir sagte und vor allem wie eres sagte. Nichts von dem, was ich mir noch wenige Augenblicke zuvor erhofft hatte, würde er zulassen. Mein Herz hatte bereits im Triumph jubiliert, doch jetzt verkroch es sich vor Angst in meinem Magen. Es verkroch sich dort so tief, dass mir schwindlig und übel wurde. Kalter Angstschweiß bildete sich auf meiner Stirn, im kühlen Lufthauch des heraufziehenden Abends spürte ich jeden einzelnen Tropfen. Ich weiß nicht, wann in meinem langen Leben mir zum letzten Mal so elend zu Mute war, ich mich so schwach gefühlt hatte.
     
    Drei lange Tage zog sich Echnaton in den Nordpalast zurück. Niemand außerhalb der Palastmauern bekam ihn in dieser Zeit zu sehen. Er suchte weder das Gempa-Aton auf, wie er das sonst jeden Tag tat, noch zog er in glänzender Wagenkolonne und gefolgt vom aufgewirbelten Staub der Straße mit Nofretete und den Töchtern in den Stadtpalast, um dort Hof zu halten. Erste Gerüchte kamen in Umlauf. Die einen behaupteten, er würde jetzt alles für die Rückkehr nach Waset vorbereiten, andere sprachen davon, dass er zwar Achet-Aton verlassen, seine neue Residenz aber in Men-nefer aufschlagen wollte, um wenigstens dem Heiligtum des Re in On nahe zu sein und umso das Heiligtum des Amun meiden zu können. Wieder andere sprachen davon, dass er sein Königtum ganz aufgeben wollte, um für immer als Erster Sehender des Aton zu dienen. Einmal hörte ich sogar, er hätte sich das Leben genommen. Welch entsetzlicher Gedanke! Echnaton tot! Dieser Gedanke durfte gar nicht gedacht werden, musste ausgelöscht werden, für immer!
    Doch wie ein Gift, das nur langsam wirkt und in kleinen Mengen verabreicht wird, kroch er durch meinen Körper und nahm in meinem Innersten mehr und mehr Gestalt an. Ich verdrängte ihn – aber: Wer allein käme denn als sein Nachfolger in Betracht, wenn nicht ich selbst? Ich naschte von diesem Wahn, wie ein Kranker, wie ein Süchtiger. Wie ein Trinker, der nach seinem Becher greift und sagt: «Es ist doch nur ein Schluck, denich trinke», und dann doch seinen Tag in einem Rausch beendet, hing ich diesem Wahn nach, sah mich mit Doppelkrone, mit Wedel und Krummstab. Nofretete wäre dann förmlich meine Große königliche Gemahlin, damit mein Thronanspruch gesetzmäßig wäre, und Kija könnte endlich meine wirkliche Frau werden. Nein, es durfte nicht sein! Oh ich Verfluchter! War es das, was ich Amenophis auf dem Sterbebett versprochen hatte? Ich, der ich gelobt hatte, immer ihm und seiner Familie zu dienen, maßte mir in Gedanken die Königswürde an. Ich Verfluchter, besessen von Machtgier! Ich war vergiftet von der Leidenschaft für eine fremde Frau, die mir nie gehören durfte. Ich allein hätte mir nach diesen wahnsinnigen Gedanken das Leben nehmen müssen, hätte verschwinden müssen aus dem Umkreis dieses edlen Menschen, dieses Gottes, der so viele tausend Male mehr Würde und Anstand besaß als ich. Niemals durfte ich diese

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