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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Frau, die vielleicht vor wenigen Stunden meinen Sohn zur Welt gebracht hatte?
    «Das Schicksal Echnatons!», schluchzte ich. «Ist es denn nicht beklagenswert?»
    Meine Verlogenheit und meine Heuchelei widerten mich nicht einmal an.
     
    Die Niedergeschlagenheit Echnatons grenzte an völlige Verzweiflung. Der Verlust seines Vaters hatte ihn gewiss schwer getroffen, auch wenn die Beziehung zwischen beiden bis zuletzt gespannt gewesen war. Sein Bruder Thutmosis war bei seinem Tod für Echnaton beinahe ein Fremder. Mit Kija aber starb zum ersten Mal ein Mensch, mit dem er nicht zwanghaft verbunden gewesen war, sondern den sich Echnaton selbst als einen von ihm geliebten Menschen auserwählt hatte. Sein Gott konnte ihn nicht vor diesem Schicksalsschlag bewahren? Sein einziger Gott, für den Echnaton alles getan hatte, dem seine wahre Liebe galt, hatte den Tod dieses geliebten Menschen zugelassen! Es muss eine schwere Prüfung für ihn gewesen sein. Ich konnte mit ihm fühlen, trauerten wir doch um denselben Menschen.
    Der einzige Trost, der ihm und mir gleichermaßen blieb, war Tutanchaton. Er war ein wirklicher Trost. Als ich ihn wenige Tage nach Kijas Tod zum ersten Mal sehen durfte, sah ich in kleine schwarze Augen. Ich sah eine winzige Stupsnase und schön geformte, volle Lippen. Er hatte dichtes, schwarzes Haar und zwei wohl geformte, wenn auch leicht abstehende Ohren.
    «Darf ich ihn einmal halten?», fragte ich Maj, die Amme des Kleinen, und Echnaton gleichermaßen. Da mich Pharao etwas ratlos ansah, fügte ich noch zur Erklärung hinzu. «Du weißt doch, dass ich deinem Vater versprochen habe, mich immer um dich und deine Kinder zu kümmern. Er gehört jetzt auch dazu.»
    Ich streichelte vorsichtig mit der Spitze meines Zeigefingers über die Wange des Kindes und dachte bei mir: «Wer immer du bist, Tutanchaton, ich werde über dich wachen bis zu meinem letzten Atemzug! Niemand wird dir ein Leid zufügen, so lange es Eje gibt. Ich verspreche es dir!»
    Die Zeit bis zur Beisetzung Kijas war bedrückend, denn wie eine schwere Last lag die Trauer Echnatons um die Geliebte auf der Stadt, und auch die Geburt Tutanchatons vermochte ihn nur wenig zu trösten. In langen Briefen berichtete ich Nofretete, was geschehen war, wusste ich doch, dass sie nicht nach Achet-Aton kommen würde. Mit vorsichtigen Worten mahnte ich meine Tochter aber auch, den Tod Kijas nicht als einen Sieg über eine Rivalin zu betrachten, sondern als Möglichkeit, zu ihrem Gemahl zurückzufinden.
    So zog der Hof nach siebzig Tagen der Trauer hinauf in das Ostgebirge und brachte den Leichnam Kijas in ein eilig fertig gestelltes Grab. Die Beerdigungszeremonie wirkte unbeholfen, als hätten wir zum ersten Mal einen geliebten Menschen zu Grabe getragen. Der Glaube Echnatons hatte es verboten, die alten Totengebete zu sprechen, Osiris zu bitten, die Tote bei sich aufzunehmen, und auch die Beschützerinnen der Toten im Jenseits, Isis, Selket Neith und Nephthys, selbst der schakalköpfige Anubis waren jetzt nicht mehr erwünscht, sie waren aus dem Begräbnisritus verbannt. Die Tote bedurfte auch keiner Grabbeigaben, denn ihr Grab war nur eine Ruhestätte, in welcher sich die Seele des Nachts aufhielt, um sich bei Tage am Licht Atons zu erfreuen und um als Geist unter uns Lebenden zu wandeln.
    Echnaton als der erklärte Sohn Atons und sein Prophet zugleich musste seinen Weg unbeirrt gehen, musste auf die den Menschen so lieb gewordenen Bräuche des Jenseitsglaubens verzichten, auf Grabbeigaben und Totengebete. Leer wirkte das Grab, wie das eines der Ärmsten. Und wäre da nicht die prächtige Grabausschmückung mit Bildern aus dem Leben Pharaos und Kijas gewesen, bunte Reliefs von Aton, wie er über dem König und seiner Geliebten thronte und sie mit seinen Strahlen anleuchtete, um ihnen den Lebenshauch zu schenken, man hätte glauben mögen, Kija wäre heimlich verscharrt worden wie jemand, dessen Andenken man auslöschen wollte für alle Zeiten. So legten die Arbeiter der Totenstadt den goldenen Sarg Kijas ineinen Sarkophag aus rotem Granit, und während sich der schwere Deckel niedersenkte, während köstlich duftender Weihrauch die kleine Sargkammer erfüllte, betete Pharao den Sonnengesang.
     
    Aton hatte seinen geliebten Sohn schwer geprüft. Echnaton litt unter der Einsamkeit, die er jetzt ertragen musste, und wir wussten, wie sehr er mit sich und dem Schwur, den er einst vor Aton abgelegt hatte, rang. Es hätte nur eines einzigen Wortes bedurft,

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