Im Land des Falkengottes. Echnaton
versunken und eng umschlungen, darauf niederließen.
Ich merkte nicht mehr, wann und wie sie mich verließ, ja dass sie mich überhaupt verließ. Alle Seligkeit der Welt, so schien es, hatte sich mir offenbart. Das war mir genug. Ich fiel in einen langen und tiefen Schlaf.
Als ich erwachte, saß Ipu neben mir auf einem Stuhl, das Gesicht hatte er in die Hände vergraben.
«Was machst du hier?», herrschte ich ihn an und spürte doch, wie schwer mir die Zunge war.
«Ich wache bei Euch, Herr. Seit drei Tagen und drei Nächten verweile ich bei Euch, und Ihr findet kein gutes Wort für mich!»
Ich hatte ihn wohl zutiefst gekränkt.
«Noch einmal», sagte ich jetzt ruhig und mit betont höflicher Stimme. «Was hast du da gesagt?»
Ipu starrte mich mit großen Augen an und sprach dann ganz langsam: «Seit drei Tagen liegt Ihr mit Fieber wie tot im Bett. Der Leibarzt des Guten Gottes, er lebe, sei heil und gesund, war hier. Eure Schwester war bei Euch, auch Prinzessin Maketaton, und selbst Kija, die junge Geliebte Seiner Majestät, hat Euch schon am ersten Tag Eurer schweren Krankheit aufgesucht.»
«Sie war wirklich hier?», fragte ich ungläubig.
«Wer? Prinzessin Maketaton?»
«Nein, Kija!»
«Ich sagte es, Herr. Kija war bei Euch, hier in diesem Zimmer.» Ipu schüttelte verständnislos den Kopf.
Ich fand für das Geschehene keine Erklärung. Dass ich nicht wirklich krank war, stand für mich fest. Ich fand das leere Fläschchen dort, wo ich es versteckt hatte. Aber was war mit Kija? Sie war zweifellos bei mir gewesen. Doch unter welchen Umständen, und was war wirklich in meinem Schlafzimmer geschehen? Sosehr ich mir auch den Kopf zermarterte, ich kam nicht dahinter,ob die Begegnung mit Kija, wie ich sie erlebt hatte, ein Traum war oder Wirklichkeit.
«Die Wahrheit», sagte der Wahrer der geheimen Künste beim Abschied zu mir, «die Wahrheit wirst Du nie erfahren!» Ich befürchtete es, denn es war kaum möglich, dass ich zu Kija ging und sie einfach danach fragte, was in meinem Zimmer geschehen war, als sie mich besucht hatte. Die Zeit würde mir die Antwort geben. Dessen war ich mir gewiss.
Ich blieb noch länger zurückgezogen in meinem Palast, um dort für einige Zeit die Ruhe zu genießen, die mir Pharao gewünscht hatte. Ich nutzte die Zeit, um Dinge zu tun, die schon lange ihrer Erledigung geharrt hatten. Ich schrieb Briefe. Keine Liebesbriefe mehr, das war gewiss vorbei – vielleicht für immer.
Ich schrieb einen Brief an Thutmosis, den Königssohn von Kusch, den Stellvertreter Pharaos in Nubien, um ihn über die Geschehnisse der letzten Wochen und Tage zu unterrichten. Ich schrieb an Turi, den Polizeiobersten von Waset, und bat ihn inständig, Tag und Nacht eine Auge auf Nofretete und die Prinzessinnen zu werfen. Ich schrieb an Maja, meinen Verwalter in Waset, und bat ihn, mich über alles zu unterrichten, was sich auf meiner Domäne und in der Stadt ereignete. Ich schrieb meinen Vettern in Achmim davon, dass Nofretete als Mitregentin unter dem Namen Semenchkare nach Waset gegangen und dass so Maat wiederhergestellt war und sie sich keine Sorgen mehr machen müssten. Ich glaubte selbst nicht an all das, was ich schrieb, aber vielleicht beruhigte es mich ein wenig, indem ich anderen eine heile Welt schilderte.
Und ich schrieb meiner Tochter Nofretete lange Briefe. Es machte keinen Sinn, dass ich ihr die Nähe Echnatons zu Kija verschwieg, denn vermutlich hatten ihr eilfertige Höflinge lange vor mir untertänigst von der Liebschaft der beiden berichtet. Gewiss schilderten sie ihr, wie er mit Kija, die nun den Titel «Einzige Geliebte Seiner Majestät» trug, auf seinem goldenenWagen durch Achet-Aton fuhr, und dass jetzt ihr Bildnis auf den Reliefs aller neu errichteter Bauwerke zu sehen war.
Echnaton war wie verwandelt. Die Beziehung zu Kija hatte ihn verändert. Sie hatte ihn so sehr verändert, dass er, dass sein ganzes Wesen kaum wiederzuerkennen war. Gewiss war er schon immer ein freundlicher und zumeist auch fröhlicher Mensch gewesen. Aber auf einmal zeigte er eine Leichtigkeit des Lebens, eine Unbekümmertheit, wie ich sie bislang nur von verliebten Fünfzehnjährigen zu kennen glaubte. Nichts focht seine Gelassenheit an: Nicht das Maulen der Priester, das nach wie vor aus den Tempeln des Amun und auch denen anderer alteingesessener Götter zu hören war; nicht die Sorgen der befreundeten Fürsten in Asien, die mehr und mehr über den Druck, der von Hattuscha ausging, stöhnten.
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