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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Aufschrei der Verzweiflung nahm er sie in seine Arme, drückte sie fest an sich.
    «Nein!», schrie er laut und blickte hinauf zu seinem Vater, zu Aton.
    «Warum lässt Du das zu?», gellte seine Stimme durch die Stille des Gartens. «Was habe ich Dir getan, dass Du dies zulässt?»
    Dann beugte er sich unter Tränen über den kleinen leblosen Körper und fragte seinen Gott unter Tränen und mit gebrochener Stimme: «Warum quälst Du mich so?»
    Er bekam keine Antwort, wie niemand eine Antwort auf diese Frage bekommt. Der Bauer nicht und nicht der Arbeiter, nicht der Schreiber, nicht der Wesir und auch nicht Pharao. Aton schwieg.
     
    Die Menschen in Achet-Aton begannen ängstlich zu werden. Es wäre nicht Aton, der Pharao prüfte, sagten sie. Es wären die alten Götter des Landes. Es wären Amun und Ptah, Seth und Hathor,Isis, Anubis und Osiris. Doch ihre Klagen drangen nicht an die Ohren Echnatons. Er verließ in diesen Tagen kaum mehr seinen Palast. Jetzt war er es, der an Nofretete einen langen Brief schrieb und ihr die schreckliche Nachricht mitteilte. Eilboten brachten sie nach Waset, und es dauerte genau zehn Tage, eine Woche, bis Nofretete zusammen mit den vier kleinen Prinzessinnen in Achet-Aton eintraf. Im kleinen Hafen des Stadtpalastes herrschte betretenes Schweigen. Echnaton trug einen faltenreichen Schurz, einen schmalen Halskragen und das Nemes-Kopftuch. Auf alle übrigen Zeichen seiner königlichen Allmacht hatte er verzichtet. Meritaton stand neben ihm. Sie trug ein blütenweißes, langes Gewand und auf ihrer Perücke ein schlichtes goldenes Diadem. Echnaton legte seinen rechten Arm um die Schulter seiner Tochter und zog sie fest an sich, als wollte er ihr sagen: «Dich lasse ich mir nicht wegnehmen!»
    Es war um die Mittagszeit und glühend heiß, als die kleine Flotte mit den schnellen Kriegsschiffen eintraf, denn Nofretete nahm keine Rücksicht auf kühlere Tageszeiten. Unentwegt hatte sie den Kommandanten der Flotte zur Eile gemahnt, Tag und Nacht wurde gesegelt und gerudert, bis man schließlich in Achet-Aton eintraf. Zwischen Wedelträgern stand sie mit den Töchtern am Bug ihres Schiffes, regungslos in die Ferne blickend. Auch sie trug ein langes weißes Gewand und ihre abgeflachte Krone, die der Krone Unterägyptens so ähnlich war und deren lange, blaue Bänder fröhlich, als wüssten sie nichts von der Trauer ihrer Königin, im Wind umhertanzten wie Libellen.
    Bedrohlich klang der dumpfe Schlag der Kriegstrommeln, als das Schiff der Herrscherin zwischen den beiden Landungsbrücken hindurch auf die Hafenmauer zufuhr. Würdevoll langsam und mit noch immer regungslosem Gesicht verließ meine Tochter das Schiff und ging auf ihren Gemahl zu. Erst kurz bevor sie aufeinander trafen, bevor sie sich gegenüberstanden, nahm er seinen Arm von der Schulter Meritatons, ging mit zwei, drei Schritten auf Nofretete zu und nahm sie in seine Arme. IhreHände umfassten seinen Rücken, und so standen sie, Wange an Wange, sprachen kein Wort und waren trotz ihres Unglücks so glücklich, wieder beisammen zu sein.
    Im Innenhof des Stadtpalastes bestiegen sie gemeinsam den Prunkwagen Echnatons und fuhren, gefolgt von Wagen der Leibgarde, welche die Prinzessinnen aufgenommen hatten, hinaus auf die Prachtstraße. Mit der Linken hielt Echnaton die Zügel seines Gespanns, und seine Rechte umfasste Nofretetes Hüfte und zog sie fest an sich. Echnaton raste nicht über den Königsweg wie in den fröhlichen Tagen seiner Herrschaft, sondern er fuhr ganz langsam zwischen den Tausenden hindurch, die sich trotz der unerträglichen Hitze rechts und links des Weges versammelt hatten und zum Zeichen der Trauer dem Herrscherpaar ein schweigendes Geleit boten. Ein unheimliches, unwirkliches und Angst einflößendes Bild war dies, wie ich es zuvor in der Lichtstadt des Aton noch nie gesehen hatte, ein Bild, wie aus einem bösen Traum. Ich wusste ohnehin schon lange nicht mehr, welche Art von Traum wir hier in Achet-Aton träumten. Das einzig Beruhigende war für mich jetzt die Gewissheit, dass jeder Traum ein Ende haben würde – der gute wie der schlimme Traum.
    In den Tagen der Trauer wurden Echnaton und seine Große königliche Gemahlin wieder ein unzertrennliches Paar, wie sie es vor der Abreise Nofretetes gewesen waren. Sie lebten sehr zurückgezogen, und ich weiß nicht, was es war, worüber sie sprachen – ich konnte es nur ahnen.
    Als der Tag der Bestattung Maketatons gekommen war, versammelten sich die königliche

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