Im Land des Falkengottes. Echnaton
wurde. Wie ein Lauffeuer verbreitete es sich in der Stadt, dass die Wehen eingesetzt hatten; alle warteten gebannt auf die erlösende Nachricht aus dem Nordpalast. Und ebenso schnell verbreitete sich die freudige Nachricht: Es war ein Sohn. Es kam vielen wie ein Wunder, wie ein Zeichen des Aton vor, dass Pharao nach sechs Töchtern der ersehnte Thronfolger geschenkt wurde. Das Kind erhielt den Namen Tutanchaton, Lebendiges Abbild des Aton.
Ein nie gekanntes Gefühl stieg in mir auf, ein Gefühl zwischen Glück und Verzweiflung. Mir selbst war nie ein Sohn vergönnt gewesen. Was wäre, wenn doch ich der Vater dieses Knaben war? Ich verfügte aber nicht über den Hauch einer Möglichkeit, die Vaterschaft über dieses Kind, über Tutanchaton,für mich zu beanspruchen. Konnte denn Kija selbst mit Gewissheit sagen, wer der Vater ihres Sohnes war? Ich konnte ihr die Frage nicht stellen, niemals, denn ich selbst wusste nicht einmal, was vor neun Monaten wirklich in meinem Zimmer geschehen war.
«Die Wahrheit wirst Du nie erfahren!», erinnerte ich mich jetzt wieder der dunklen Worte des Magiers und wusste, dass ich wegen der Herkunft des Kindes zu ewigem Schweigen verurteilt war.
Schon am Morgen nach der Geburt raste Echnaton allein in seinem goldenen Prunkwagen auf dem Königsweg durch all die jubelnden Menschen hindurch zum Gempa-Aton. Er betrat ihn nicht gesetzten Schrittes, würdevoll und ruhig, wie er es sonst tat, sondern forsch und hocherhobenen Hauptes, die Kriegskrone auf dem Kopf. Er durchschritt die Tortürme und legte schon im ersten Hof Opfergaben nieder. Dann eilte er weiter in den zweiten und von dort in den dritten Hof, bestieg das Podium und erwartete auf seinem Thron sitzend das Erscheinen seines Gottes. Mächtige Wolken feinsten Weihrauchs, begleitet vom Gesang der Tempeldienerinnen, quollen aus den Opferschalen empor. Als die ersten Strahlen von Echnatons göttlichem Vater über den Kamm des Ostgebirges auf Pharaos Antlitz niederfielen, erhob er sich und stimmte allein und mit kräftiger Stimme den Lobpreis seines Gottes, den Sonnengesang an.
Aber Aton leuchtete an diesem Tag nicht so hell und klar, wie er es sonst tat. Hauchdünne Wolkenschleier lagen über dem Ostgebirge und verhinderten, dass die heilbringenden Strahlen Atons den göttlichen Sohn und dessen Opfergaben in all ihrem Glanz berührten. Das gab es oft, doch an diesem Tag erschien es Merire, Panehsi und den übrigen Sehenden des Aton kein gutes Zeichen zu sein, denn betrübt und sorgenvoll schien mir ihr Gesichtsausdruck zu sein. Echnaton hingegen nahm die Erscheinung gar nicht wahr. Mit geschlossenen Augen sprach erden Sonnengesang, und als er geendet hatte, stand die Sonnenscheibe so hoch über den Bergen, dass ihre Strahlen ungehindert auf ihre Schöpfung hernieder schienen.
Dann pries Pharao seinen Gott und dankte ihm für die Geburt des Sohnes. Er gelobte, dass der Name Atons von nun an und für alle Zeiten ein Bestandteil des Geburtsnamens der Herrscher Ägyptens sein würde.
Echnaton kehrte, gefolgt von den Großen des Landes, und gefeiert und umjubelt von seinen Untertanen, in den Nordpalast zurück. Während wir in der großen Halle standen und uns über das freudige Ereignis unterhielten, eilte Echnaton in seine Gemächer, um nach Kija und Tutanchaton zu sehen.
Ein entsetzlicher Aufschrei, so entsetzlich, wie ich ihn vorher noch nicht gehört hatte, schmerzvoll, erbärmlich schmerzvoll, ließ uns augenblicklich verstummen. Noch ehe sich einer von uns nur vom Fleck bewegte, bevor wir überhaupt wussten, was es war, das wir gehört hatten, stand Pharaos Leibarzt Tutu mit kreidebleichem Gesicht zwischen den weit geöffneten Türflügeln und sagte in die Stille der vor ihm liegenden Halle hinein: «Kija, die Einzige Geliebte Pharaos ist bei Sonnenaufgang verstorben.»
Keiner wagte es, auch nur ein Wort zu sprechen. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Ich stützte mich mit dem Arm an einer Säule ab, lehnte meinen Kopf dagegen und verbarg so mein Gesicht. Es mochte gewesen sein, was wollte, doch ich hatte diese Frau geliebt, bis zuletzt, und ich wusste, dass ich sie nie vergessen würde. Gab es nur den Tod um mich herum? Mussten mich denn immer alle verlassen, mich allein zurücklassen? Ich war mir nie sicher, ob es der Tod Kijas war, den ich an jenem Tag beklagte, oder mein eigenes Leid.
«Was ist Dir, Gottesvater Eje?», sagte jemand zu mir. Wollte ich ihm sagen, dass ich um meine geliebte Kija weinte, um eine
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