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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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mich.
     
    Endlich war Vollmond. Ich lag hellwach in meinem Bett und sah aus dem Fenster. Der Wind strich durch die Palmwedel und ließ sie gleichmäßig aneinander schlagen, was das vertraute,klappernde Geräusch verursachte. Irgendwann schlief ich in diesem Klappern ein, während ich noch die letzten Worte des Gebetes vor mich hin murmelte: «Und der die Jungen der Schlange am Leben erhält.»
     
    «Und der die Jungen der Schlange am Leben erhält», flüsterte Amenophis, als wir noch vor Sonnenaufgang im Schein von Fackeln erneut das Gebet lasen. Wir waren allein. Immer wieder schaute Amenophis aus dem Fenster, als wollte er den Sonnenaufgang herbei beten. Es dämmerte, und nun konnten wir die Schriftzeichen auch ohne die Hilfe der Fackeln lesen. Aber noch immer verschloss sich uns das Geheimnis des Königssohnes von Kusch.
    «Vater der Götter, der die Menschen geschaffen hat», begann Pharao von Neuem. Jetzt schickte Re die ersten Strahlen über den Horizont, doch sie trafen auf die Decke des Raumes. Ganz allmählich wurde der Lichtstrahl breiter und breiter und senkte sich immer mehr auf die Wand vor uns herab. Für einen kurzen Augenblick konnten wir gar nichts mehr lesen, dann sahen wir plötzlich die Schriftzeichen als schwarze, dunkle Schatten, aber nicht mehr alle, wie vorher, sondern nur noch genau siebenunddreißig Schriftzeichen. Gemeinsam lasen wir laut:
    «Hathor von Sedenga weist dir den rechten Weg.»
    Re hatte sich ein wenig emporgehoben und war nur etwas nach Süden gezogen, da waren die dunklen Schriftzeichen verschwunden, und es tauchte wie aus dem Nichts wieder das vollständige Gebet in bunten Schriftzeichen vor uns auf.
    Wir sahen uns sprachlos an. Amenophis ging als Erster an die Wand heran und betrachtete sich die Schriftzeichen genauer. Dann ließ er die Fingerspitzen seiner rechten Hand über die Schriftzeichen gleiten und schüttelte den Kopf. Die dunklen Schriftzeichen waren für uns nur sichtbar geworden, weil sie etwas in der Wand versenkt waren. So war es nur ihr Schatten, den wir für einen Augenblick gesehen hatten, ehe die Sonnenach kurzer Zeit hinter der Wand verschwand und alle Schriftzeichen wieder gleichermaßen unbeleuchtet zurückließ. Zwischen den versenkten Schriftzeichen und solchen, die nur aufgemalt waren, war nun kein Unterschied mehr zu sehen. Es war, wie Amenophis sagte: Nur zweimal im Jahr, wenn die Sonne an einem bestimmten Zeitpunkt aufging und in einem bestimmten Winkel auf die Wand fiel, konnte man die wie ein Relief versenkten Schriftzeichen lesen und das Geheimnis des Königssohnes von Kusch lüften.
    «Hathor von Sedenga weist dir den rechten Weg», wiederholte ich langsam, wusste aber mit diesem Satz nichts anzufangen.
    «Uns wird nichts anderes bleiben, als den Tempel der Hathor in Sedenga aufzusuchen», sagte Amenophis kopfschüttelnd und gab mir so zu verstehen, dass ihn der Hinweis von Merimes eher verwirrte, als dass er ihm weiterhalf.
    Wir spürten jedoch beide, dass die Botschaft von großer Bedeutung sein musste, denn sonst hätte der Königssohn von Kusch nicht einen solchen Aufwand betreiben lassen, um seine Nachricht zu verschleiern. Waen-Re zögerte daher keinen Augenblick, von Napata wieder nach Sedenga, nördlich der dritten Stromschnelle, aufzubrechen, wo einst sein Vater einen Tempel errichtet hatte, in dem Hathor und Isis in Teje zu einer Gottheit verschmolzen wurde.
     
    Unsere Familien reisten unter starker Bewachung mit dem großen Tross, während Amenophis und ich mit einem Teil der Leibwache vorauseilten. Schon vier Tage später erreichten wir Sedenga am Westufer des Nils. In der kleinen Stadt war man völlig überrascht, dass Pharao nach so kurzer Zeit schon wieder zurückgekehrt war, und so war es nicht verwunderlich, dass Gerüchte über Unruhen im Süden in Umlauf kamen. In einer kurzen Audienz beruhigte Amenophis den Bürgermeister und die wichtigsten Beamten der Stadt. Hathor selbst hätte ihm den Weg nach Sedenga gewiesen, damit er ihr mit zahlreichen Opfernhuldigte. Der Bürgermeister und sein Anhang waren von den Worten des Guten Gottes tief beeindruckt, denn erstmals seit der Einweihung des Heiligtums durch Nimuria und Teje hatte ein Herrscher ihren Tempel mit so viel Ehre bedacht. Ich erschrak ein wenig darüber, wie einfach es war, einem Bürgermeister etwas vorzumachen.
     
    Früh am anderen Morgen zogen wir im Schutze der Leibwachen und begleitet vom Bürgermeister, einigen Verwaltern und dem Ersten Sehenden der Hathor

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