Im Land des Falkengottes. Echnaton
Tempel der Hathor zu Sedenga, bis Pharao wiederkehren würde, um an sich zu nehmen, was ihm gehörte.
Sein Augenmerk für eine neu zu errichtende Stadt fiel auf Sudla, eine unscheinbare Ansiedlung am Westufer des Nils, die weiter südlich zwischen Soleb und der dritten Stromschnelle lag. Amenophis selbst zog die Linien des Rechteckes, auf welchen schon bald die Stadtmauern errichtet wurden. Sie maßen vierhundertfünfzig Ellen in der Länge und dreihundertachtzig Ellen in der Breite. Die Arbeiter legten planmäßig befestigte Straßen an, sie errichteten große und kleine Häuser, einen Palast für die königliche Familie, und sie begannen mit dem Bau von drei Tempeln, die Amun, Mut und Chons geweiht waren. Diese lagen im Nordwestteil der Stadt und waren aneinander gebaut, sodass sie eine gemeinsame Front besaßen. Unter dem mittleren Tempel ließ Pharao einen unterirdischen Saal in den Stein hauen, damit er hier seine eigenen Schätze verwahren konnte. Seine Wände bestanden aus Steinblöcken, die mit versenkten Reliefs geschmückt waren. Sie zeigten Pharao, wie er dem Aton Opfer darbrachte. Aton, als falkenköpfiger Gott mit der Sonnenscheibe auf dem Kopf dargestellt, stand neben Schu, dem Kind des Amun, neben dem urzeitlichen Schöpfergott Atum, neben Osiris, dem Herrn des Totenreichs, und neben Maat, unserer zur Gottheit erhobenen geheiligten Ordnung. Neben Aton stand auch dessen Name, den Waen-Re ihm jetzt gegeben hatte: «Re-Harachte, der im Horizont verehrt wird in seinem Namen Schu, und welcher der Aton ist».
Im Norden der Stadt aber erfüllte sich Amenophis einen besonderen Wunsch: Dort ließ er auf einer Plattform innerhalb einer Umzäunung für Aton ein Sonnenheiligtum errichten. Die Anlage bestand im Wesentlichen aus einem quadratischen Altarhof, dessen vier Seiten nur fünfundzwanzig Ellen maßen. Hier und in dem unterirdischen Saal des Hathortempels verwirklichtendie Steinmetze Bek und dessen Vater Men die Gedanken und Wünsche des Königs von der Darstellung des Aton, doch vor allem von der Darstellung Nofretetes und seiner selbst. Wir sahen sie beide in unförmiger, ja verzerrter Gestalt, und alle, die das sahen, waren erschrocken. Doch niemand wagte es, auch nur ein Wort zu sagen.
Tag für Tag kümmerte sich Amenophis selbst um alle Baumaßnahmen, gab Anweisungen, befahl selbst geringste Änderungen, und abends, bis tief in die Nacht hinein, sprach er mit uns über seine Gottesvorstellungen und davon, dass Aton mit den anderen Göttern des Landes gleichzusetzen sei.
In nur wenigen Monaten war eine kleine Stadt ausschließlich nach den Plänen des jungen Herrschers entstanden. Doch Amenophis war sich bewusst, dass er keine Stadt gebaut hatte, die als Residenzstadt eines Herrschers würdig gewesen wäre. Sudla war eine kleine Festung, ähnlich der Anlage auf der Elefanteninsel Abu. Ich glaube allerdings nicht, dass Amenophis Waen-Re jemals beabsichtigt hatte, in Nubien eine wahrhafte Residenzstadt zu errichten. Hätte er das wirklich vorgehabt, dann hätte man angesichts der geringen Ausmaße Sudlas tatsächlich von einem Scheitern sprechen müssen. Sudla war nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Versuch. Er wollte sehen, wie die Häuser, die er selbst geplant hatte, in Wirklichkeit aussehen würden. Die großen Häuser für die Beamten, mit zwei Stockwerken, mit Bädern und in den Fels gehauenen Kellerräumen. Die kleinen Häuser, die ebenerdig gebaut wurden, aber auch ein Bad und einen Keller besaßen. Er wollte sehen, wie die neuartige Darstellung der Königsfamilie auf den Betrachter wirkte. Und er wollte sehen, wie hier im Süden, weit weg von den strengen Priestern des Amun, die in den Mittelpunkt gerückte Verehrung des Aton aufgenommen würde.
Die Schreiber Pharaos hielten alles fest, was für künftige Bauvorhaben wichtig erschien, die Breite der Straßen und wie viele Arbeiter nötig waren, um ein Stück von bestimmter Länge undBreite zu errichten; die genaue Menge des Baumaterials für die Tempel, den Palast und die großen und kleinen Häuser.
Viele der Handwerker, Soldaten und Künstler, die mit Pharao in den Süden gezogen waren, blieben in Sudla. Sie bekamen von ihrem Herrscher einen Posten, und sie erhielten Land, um es zu bewirtschaften.
Die zwei Jahre, die Nimuria seinem Sohn zugestanden hatte, waren fast vergangen. Das kleine Sudla war uns ans Herz gewachsen, und gelegentlich war ich ein wenig traurig darüber, es bald wieder verlassen zu müssen. Und doch
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