Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Vormachtstellung Ägyptens über Syrien wiederherstellen würde. Aber die schier endlose Glücklosigkeit Haremhabs ließ mich an einem durchgreifenden Erfolg zweifeln. Und wenn er wirklich siegreich sein würde, wäre er ohne Zweifel der mächtigste Mann Ägyptens und könnte Tutanchamun und mir nach Belieben seinen Willen aufzwingen. Tutanchamun war jetzt gerade fünfzehn Jahre alt und damit noch nicht großjährig. Eine Alleinregentschaft des Generals, die nach einem endgültigen Sieg über Suppiluliumas Heer nur schwer zu verhindern gewesen wäre, wollte ich deswegen um jeden Preis vermeiden.
Haremhab arbeitete mit allen Mitteln auf sein Ziel hin. Er beschwor die Priester überall im Land und versprach ihnen ein Ägypten von bislang nie gekannter Größe. Er versprach ihnen, Aton für immer aus der ersten Reihe der Götter zu verbannen, und er versprach ihnen Reichtum für neue und größere Tempel. Freilich tat er dies im Geheimen, und nur der Treue meines Freundes Mahu, dessen Polizisten nichts von alledem entging, verdankte ich es, dass ich über jeden Senet-Zug des Generals unterrichtet war. Zuletzt wagte er den entscheidenden Schritt: In einer großen Audienz beschwor er den jungen Herrscher selbst, dass er sich auf die Seite des Generals schlagen möge.
«Die Demütigungen Ägyptens müssen endlich ein Ende haben, Majestät! Wie viele Jahre haben wir jetzt schon verloren, weil wir uns nicht durchringen konnten, gegen Hattuscha den entscheidenden Feldzug zu führen!»
«Diesen Krieg habt allein Ihr geführt, General», hielt ich ihm entgegen, denn den vorwurfsvollen Ton in seiner Rede wollte ich weder für mich noch für Tutanchamun hinnehmen. «Welche Opfer wollt Ihr Ägypten noch aufbürden? Gebt Ägypten endlich jenen dauerhaften Frieden, den es braucht, um im Innerenwieder zu erstarken. Dann mögt Ihr über einen großen Krieg gegen Hattuscha reden.»
Seine Augenlider überschlugen sich beinahe vor Erregung, und es dauerte eine Weile, bis seine Pupillen wieder zu sehen waren. Er atmete tief durch und zwang sich sofort wieder zur Ruhe.
«Seid für die innere Stärke Ägyptens nicht Ihr zuständig, Gottesvater Eje?», schlug er zurück. Dieser Schlag saß tief. Dann wandte er sich wieder an den König.
«Euer Großvater zog ohne Zögern hinab in das elende Kusch und hat in einer beispiellosen Schlacht die Feinde Ägyptens niedergerungen. Und ist Amenophis Neb-maat-Re nicht als großer Herrscher im Gedächtnis der Menschen geblieben? Mit starkem Arm hat er die Feinde besiegt und sich so ewigen Ruhm gesichert. Tut es ihm gleich, Majestät! Werdet ein großer Herrscher wie Euer Großvater! Führt Ägypten zurück zu Macht und Ansehen!»
Die Augen Tutanchamuns begannen vor Begeisterung zu funkeln, denn die Verlockungen Haremhabs zeigten ihre Wirkung.
«Seid Ihr Euch sicher, General, dass wir die Hethiter besiegen können?», fragte Pharao und richtete sich in seinem Thron auf, als gelte es schon jetzt, Größe und Stärke zu zeigen.
«Wenn Ihr Euch an die Spitze des Heeres stellt, Majestät, wenn Eure Soldaten wissen, dass ihr Guter Gott bei ihnen ist und sie beschützt, gibt es daran nicht den leisesten Zweifel!»
Jetzt hatte er den Ehrgeiz des jungen Pharao geweckt.
«Die Divisionen Amuns, Ptahs, Seths und Res stehen bereit, um für Euch den größten aller Siege zu erstreiten. Ich verspreche Euch, Majestät: In weniger als sechs Monaten kehrt Ihr als siegreicher Feldherr nach Ägypten zurück. Alle Welt wird vor Euch niedersinken, und die Länder Asiens werden wieder Tribute an Ägypten abführen, wie sie es früher getan haben. Die Inschriften aller Tempel der Beiden Länder werden Eure Heldentaten rühmen. Und überall wird man sagen: Es war Tutanchamun Neb-chepru-Re,der die Feinde Ägyptens niedergeschlagen und die Beiden Länder zu nie gekannter Größe geführt hat. Es war Tutanchamun Neb-chepru-Re, der Hattuscha bezwungen und der Byblos und Mitanni vom Joch der Feinde Ägyptens befreit hat.»
Ich sah, dass nicht nur Pharao an den Plänen Haremhabs mehr und mehr Gefallen fand, sondern auch Maja und Mahu, Aper-el und all die anderen Fürsten, die jetzt vor dem Thron Pharaos standen und den verlockenden Worten des Generals zugehört hatten.
Die Augen aller waren nun im Wechsel auf Tutanchamun und auf mich gerichtet, denn die Großen und Mächtigen Ägyptens erwarteten in diesem Augenblick eine Entscheidung. Meine uneingeschränkte Zustimmung sollten sie gleichwohl nicht bekommen, denn im Fall
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