Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
eines unglücklichen Verlaufs des Feldzugs wollte ich derjenige sein, der die Stimme erheben und sie an meine mahnenden Worte erinnern würde.
Ich wollte verhindern, dass Tutanchamun voreilig dem General freie Hand ließ, und sagte: «Wenn sich General Haremhab seines Sieges so sicher ist, dann mag er die Soldaten Pharaos in die große Schlacht gegen Suppiluliuma führen. Ich bin aber für das Leben unseres Herrschers ebenso verantwortlich wie er. Deswegen bestehe ich darauf, dass Seine Majestät nicht unmittelbar an der Schlacht teilnimmt, sondern sie nur aus sicherer Entfernung heraus beobachtet.»
Haremhab war dies offenbar genug, denn ohne Widerspruch und ohne einen Augenblick zu zögern sagte er: «So sei es, und so werde es geschrieben!», rief er und war sich gar nicht bewusst, dass dieser Satz allein Pharao vorbehalten war.
Haremhab hat mir meinen Einwand und meine Einschränkung nicht weiter übel genommen, denn er hatte jetzt, was er wollte: die Hoffnung, als siegreicher Feldherr zurückzukehren. Denn mochte einst überall geschrieben stehen, dass Pharao die Feinde Ägyptens niederschlug, würden doch alle wissen, dass Haremhab es war, der die Soldaten Pharaos angeführt hatte.
Allerdings hatte der General nicht damit gerechnet, dass ich trotz meines hohen Alters darauf bestand, mitzukommen. Er bezeichnete meine Absicht zwar als unverzeihlichen Starrsinn eines alten Mannes, verhindern konnte er sie jedoch nicht.
Sein Kriegsplan kam mir sehr entgegen, denn Haremhab teilte das Heer in zwei Abteilungen auf. Die Division des Ptah sollte schon am Nil die Kriegsflotte besteigen, bis zur Flussmündung nach Norden fahren und von dort entlang der Küste in das mit uns befreundete Gaza segeln. Von dort würde unsere Seereise weitergehen nach Askaluna, Joppe, Akka, Tyros und Sidon bis Berut. Die Divisionen des Re und des Amun sollten auf dem Landweg über Qiltu, Gazru, Hasura bis Kudimu vorstoßen, damit sie sich in Berut mit der Division des Ptah vereinigten und zuerst Byblos befreiten, bevor wir dann gemeinsam die Stadt Qadesch eroberten. Ihr Fürst Aitakama, der mit Aziru von Amurru verbündet war, war trotz seiner Treueschwüre gegenüber Ägypten erst vor kurzem von Suppiluliuma auf seinem Thron bestätigt worden. Deswegen galt es, Qadesch zu erobern und Aitakama niederzuwerfen. Sollte ihm Suppiluliuma zu Hilfe eilen, wollte ihm Haremhab die vernichtende Niederlage beibringen.
Nur die Division des Seth blieb zum Schutz des ägyptischen Stammlandes unter dem Kommando Aper-els in Men-nefer zurück.
Ich zog für Tutanchamun und für mich den Seeweg vor. Auch hiergegen erhob Haremhab keine Einwände, was mich nachdenklich stimmte und letztlich in meiner Vermutung bestärkte, dass es ihm nur um seinen eigenen Ruhm ging.
Wie überall in den großen Städten Ägyptens wimmelte es auch in Men-nefer von Fremdländern. Syrer kamen ebenso hierher wie Babylonier oder Kaufleute aus Mykene und Troja, aus Knossos oder von der fernen Insel Kreta. Keinem von ihnen durfte man trauen, und so blieben die Pläne des Generals geheim, und es gab keine festliche Verabschiedung der Truppen und ihrerAnführer. Haremhab selbst verließ die Stadt mit den wenigen Soldaten, die ihn hierher begleitet hatten, in aller Stille und im Schutz der Nacht nach Nordosten, um in Tjeku am Ostrand der Flussmündung auf seine Truppen zu stoßen und um mit ihnen von dort nach Osten weiterzuziehen. Das Oberkommando über die Kriegsflotte übertrugen Haremhab und ich dem ehrgeizigen Offizier Paramessu, jenem Mann, der Tutanchamun und mich nach dem Tod Nofretetes in der Wüste gefunden und nach Men-nefer gebracht hatte.
Weil unsere Reise auf dem Fluss und die Überfahrt über das Meer bei weitem nicht die Zeit in Anspruch nahmen wie der lange Marsch von Haremhabs Truppen, legten wir erst drei Wochen später ab. Damit das Abrücken unserer Division und ihrer Schiffe nicht so sehr auffiel, hatte sie Haremhab schon in den Wochen vor seinem eigenen Aufbruch auf die Städte und Dörfer nördlich von Men-nefer auf die unterschiedlichen Flussarme des Nils verteilen lassen. Je weiter wir nach Norden fuhren, umso mehr Kriegsschiffe schlossen sich uns an, bis die Flotte in Anedjet mit zweiundfünfzig Barken ihre volle Stärke erreicht hatte.
So alt ich jetzt auch schon war, nun sah ich zum ersten Mal in meinem Leben das nördliche Meer. Es war früh am Morgen, als wir die Flussmündung verließen. Die aufgehende Sonne tauchte die unendlich weite
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