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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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nicht vielleicht ihr Gemahl darunter war, oder um diejenigen, die noch sprechen konnten, nach ihrem Liebsten zu fragen. Dann gab es die Mütter der toten und der sterbenden Helden von Berut. Jene Frauen, deren Gang gebückt war vor Kummer, die Schmerzen erlitten wie am Tagder Geburt ihres Sohnes. Aber jetzt war es ihr Herz, das unsägliche Schmerzen ertragen musste. Als reife Frauen, die sie in den achtzehn oder zwanzig Jahren seit jenem Tag der Geburt geworden waren, schrien sie ihren Schmerz nicht mehr hinaus, als wollten sie sich mit ihrem Schreien von dem befreien, wonach sie sich so lange gesehnt hatten. Jetzt machte sie ihr Schmerz still, hoffnungslos still.
    Zuletzt gab es die Kinder, die der Krieg zurückgelassen hatte. Die stummen und ahnungslosen Halbwaisen an den Händen ihrer hastig umherirrenden Mütter und die, die niemanden mehr hatten: deren Väter gefallen und deren Mütter verschleppt oder ermordet und in den brennenden Trümmern ihres Hauses zurückgelassen worden waren. Kinder, die dasaßen mit großen leeren Augen, welche anklagten und gleichzeitig nach der Geborgenheit bettelten, die verloren war, eingestürzt und verbrannt. Mädchen, mit einer Puppe im Arm und dem kleinen Bruder an der Hand, die mitten auf der Straße standen und nicht wussten, wohin sie gehen sollten, die von allen anderen achtlos umhergeschubst wurden, als gäbe es sie gar nicht, die übersehen wurden, als wären sie lästiger Unrat. Wenn sich nicht irgendeine gute Seele ihrer erbarmte, waren sie in wenigen Tagen verhungert oder an einer Seuche elend zugrunde gegangen.
     
    Trotz der vielen Soldaten, die Pharao auf seinem Weg vom Hafen in den Palast oder in das, was von ihm übrig geblieben war, schützend umringten, sah Tutanchamun das Elend dieser Menschen. Es war nicht zu übersehen. Es gab keine jubelnden Menschenmassen, die den Guten Gott, den Herrn der beiden Länder, empfingen. Jubel hatte es in Berut schon lange nicht mehr gegeben.
    Dort, wo es nach schwelenden Balken und nach Eiter riecht, jubelt man nicht mehr. Wo der erste tote Held zu beklagen ist, erlischt die Begeisterung über den Krieg, und mag er mit noch so viel Erfolg geführt werden.
    «Was kann ich für diese Elenden tun?», fragte mich Tutanchamunleise. Er ließ mich seinen Wagen lenken, um mir so den Fußmarsch zum Palast König Ammuniras zu ersparen.
    «Gib ihnen zu essen. Mehr kannst du für sie nicht tun. Den Vater, den Bruder, den Sohn gibt ihnen niemand mehr zurück. Und wenn du kannst, gib ihnen ihren Frieden wieder. Aber an ein Leben in Frieden scheinen sie schon lange nicht mehr zu glauben.»
     
    Wie alle Vasallen Ägyptens, gleich, ob Fürst oder König, fiel auch Ammunira von Berut vor Pharao nieder, so wie sie es in ihren Briefen immer beteuerten: Siebenmal warf er sich vor Tutanchamun in den Staub.
    «Šarriri beli-ia», begann er seine Rede in seiner Verzweiflung auf Akkadisch, denn die Sprache seines Landes hätte außer dem Übersetzer keiner von uns verstanden.
    «Mein König und Herr! Ich bin nur der Staub, auf den Du trittst, der Schemel unter Deinen Füßen. Ich habe die Worte, die Du mir geschrieben hast, vernommen und habe alles zurechtgemacht für die Truppen des Königs, meines Herrn. Und darauf habe ich gehört: Ich habe meine Pferde und meine Wagen zurechtgemacht, um Deine Truppen zu unterstützen. Und es mögen die Truppen des Königs, meines Herrn, den Kopf seiner Feinde zerschmettern. Der Diener des Königs, meines Herrn, Haremhab, hat mir Vergeltung verschafft und meine Stadt von den Truppen Hattuschas befreit. Lass uns gegen Qadesch ziehen und Suppiluliuma in die Ödnis seiner Berge zurücktreiben, damit mein Volk in Frieden leben und meinem König und Herrn dienen kann.»
    Ammunira war ein Mann von kaum dreißig Jahren, und nur sein kräftiger, schwarzer Kinnbart ließ ihn älter erscheinen, als er war. Er war groß und kräftig von Gestalt, und man erzählte sich von ihm, dass er mit einem einzigen Hieb seines Schwertes vier Feinde niederstreckte. Sein langes Haupthaar war zu unzähligen Strähnen geflochten und verlieh dem erfahrenen Krieger ein wildes und Angst einflößendes Aussehen. Er hätte einenzierlichen, ja schmächtigen Jüngling wie Tutanchamun mit einer Hand erwürgen können, und jetzt lag er vor ihm am Boden und erniedrigte sich zum Schemel und zum Staub unter dessen Füßen. In einem Brief mag das leicht geschrieben werden, aber wenn man sich unter den Augen der Großen seines Landes vor einem

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