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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Unterägyptens trug. An diesen Mittelstücken und an zwei Trägern aus unzähligen bunten Perlen hing das Hauptteil des Harnischs, das den Leib Pharaos schützen sollte und das bis an die Knie hinabfiel. Er trug goldene Armreife, lederne Gelenkschützer, damit ihn die Sehne seines Bogens nicht verletzen konnte, und rote Lederhandschuhe. An seinem vergoldeten Prunkwagenwar das Schild befestigt, das ihn als Sphinx, der seine Feinde niedertrat, zeigte. In der Linken hielt er seinen Bogen und in der Rechten eine vergoldete Keule als Zeichen dafür, dass er es sein würde, der die Feinde Ägyptens niederschlug. Vor Pharao fuhren zwei Streitwagen, auf welchen die Wedelträger standen, die laut das Erscheinen des Guten Gottes ankündigten. Dem Wagen Pharaos folgten Haremhab und ich als die Regenten des jungen Herrschers sowie Ammunira und Paramessu.
    Als die Soldaten ihren Herrscher kommen sahen, begannen sie nach altem Brauch, mit ihren Schwertern und Keulen gegen ihre Schilde zu schlagen. Es war ein unheimlicher, bedrohlicher Lärm. Es war der kriegslüsterne Pulsschlag einer ganzen Armee, immer lauter werdend, immer schneller schlagend. Die drei bunten Bänder am Helm Tutanchamuns flatterten im Wind, und wie ich es ihm geraten hatte, blickte Tutanchamun ernst und würdevoll zu seinen Soldaten. Niemand, nicht einmal Haremhab, hatte gemerkt, dass Pharao in seinem Streitwagen größer wirkte, als er eigentlich war. Ich hatte ein Podest von einer Handbreit Höhe auf den Boden seines Wagens befestigen lassen.
    Ich sah vier Reiher, vier heilige Benu-Vögel, die langsam und majestätisch auf das Heer Pharaos zuflogen, und nahm sie für ein gutes Zeichen. Abgelenkt vom Lärm und von dem herrlichen Anblick der Vögel, bemerkte ich nicht, wie Tutanchamun nach Pfeil und Bogen griff.
    «Tu das nicht!», rief ich laut nach vorn, als ich seine Absicht bemerkt hatte, doch mein Rufen war in den ohrenbetäubenden Schlägen untergegangen.
    Sein Pfeil durchdrang den Körper des ersten Benu-Vogels, dessen Hals sogleich willenlos umherbaumelte und der mit wild umherflatternden Flügeln zur Erde niederfiel. Den Soldaten war nicht bewusst, welch heiliges Tier Pharao getötet hatte. Sie hatten nur einen Schuss gesehen, der seinesgleichen suchte und der sie überzeugt hatte, dass Tutanchamun der Heerführer war, der Suppiluliuma besiegen konnte. Ihr Schlagen und ihreHurra-Rufe waren jetzt noch lauter als zuvor. Das war es auch, was der junge König mit seinem Schuss erreichen wollte: die Anerkennung seiner Soldaten.
    Haremhab sah entsetzt zu mir herüber und schüttelte wütend den Kopf. Ich tat aber nichts dergleichen und sah ihm nur starr ins Gesicht. Dann merkte ich, wie Ammunira mit seinem Wagen näher an mich heranfuhr, und rief: «Ihr wisst, was das bedeutet: Einer von uns wird nicht zurückkehren!»
    «Wir werden zurückkehren, Ammunira. Wir werden zurückkehren», versuchte ich ihn zu beruhigen und wusste doch selbst, dass der Frevel Tutanchamuns bestraft werden würde.
    Nachdem Pharao die lange Reihe seiner Soldaten einmal auf und ab gefahren war, hielt er, umgeben von seinen Wedelträgern, in der Mitte an. Dann stieg Haremhab von seinem Wagen, verneigte sich vor Pharao und trat einige Schritte nach vorn. Zuerst dankte er mit lauter Stimme den Göttern, dass Pharao zu seinen Soldaten gekommen war, um gemeinsam mit ihnen den endgültigen Sieg über das Heer der Hethiter zu erringen. Dann pries er den Heldenmut seines Herrschers, lobte die Tapferkeit seiner Männer und der Männer aus Berut. Er beschwor ihren Kampfgeist und versprach ihnen Ehre und Wohlstand, wenn die Schlacht erst geschlagen und der Feind besiegt war. Zuletzt zog er sein Schwert, zeigte damit nach Norden und rief laut, so laut, dass man es auch in der hintersten Reihe hören musste: «Tutanchamun!»
    Und sogleich hallte es dreimal zehntausendfach zurück: «Tutanchamun! Tutanchamun! Tutanchamun!»
     
    Wenig später trennten sich die Heere, wie es Haremhab befohlen hatte. Die Division des Ptah und die Soldaten Ammuniras zogen zur Küste und bestiegen dort die Schiffe, während die Divisionen des Re und des Amun nach Norden aufbrachen. Keiner von uns verlor auf der Fahrt nach Byblos ein Wort über den getöteten Reiher, den heiligen Benu. Ich wollte damit warten, bis wir die Schlacht geschlagen hatten und nach Hausezurückgekehrt waren. Es herrschte eine unheimliche Stille auf den Schiffen. Keinem war es mehr nach Singen zumute, nach heldenhaften Reden oder zweideutigen

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