Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
den ersten fünfhundert Soldaten den Hügel erreicht hatte, gab er uns ein Zeichen. Die Pferde Pharaos und auch sein Streitwagen wurden an Land gebracht, ebenso die übrigen Gespanne, die bei uns waren. Wenig später standen wir neben Ammunira.
«Im Süden», sagte er laut, damit es alle vernehmen konnten, «seht Ihr Byblos. Das nördliche Tor ist in Friedenszeiten tagsüber immer geöffnet. Jetzt seht Ihr selbst, dass wir ihnen nicht willkommen sind.»
Dann wandte er sich nach Norden. «Dort unten seht Ihr die Senke, die Nebek-Ebene heißt. An den uns gegenüberliegenden Hängen haben die Hethiter ihr Lager aufgeschlagen.»
Schweigend und starr vor Ehrfurcht blickten alle nach Norden, hielten sich die Hände an die Stirn, um nicht von der Sonne geblendet zu werden, und versuchten, etwas zu erkennen. Mein Augenlicht war schon zu schwach.
«Was siehst du?», fragte ich Nassib, der neben mir auf seinem Wagen stand, leise.
«Eine Zeltstadt, beinahe so groß wie ganz Achet-Aton. Der ganze Gegenhang ist übersät mit Zelten. Es wimmelt von Menschen, aber sie sind kleiner als Flöhe. Ich erkenne Pferde, und sie erscheinen mir wie Ameisen.»
Dann fuhr Ammunira fort: «Von dort, aus Südosten, erwarten wir morgen früh Haremhab mit seinen beiden Divisionen. Dann werden wir sehen, was geschieht.»
Die Oberfläche unseres Hügels bildete eine weite Hochebene von mehreren tausend Ellen Durchmesser. Auf ihr wuchsen Gras und Sträucher, zwischen seltsam geformten Felsbrocken standen vereinzelte Bäume. Nach Norden, zur Stadt zu, fiel das Gelände steil ab, und von unserem Standort aus konnte man nicht bis auf den Grund der Schlucht hinabschauen. Deshalb stellte Paramessu im Nordhang eine Reihe von Wachposten auf, damit sie jeden, der Byblos verließ, und waren es nur zwei oder drei Menschen, meldeten.
«Passt auf diese verfluchte Stadt auf!», rief Ammunira den Wachsoldaten nach, während sie schon abzogen. An mich gerichtet fuhr er fort: «Es gefällt mir gar nicht, dass keine gaffenden Menschen auf ihren Mauern herumstehen. Das hat irgendeinen Grund. Es gibt sonst keine Stadtmauern ohne Gaffer. Und immerhin könnten sie noch einmal einen Blick auf den Guten Gott erhaschen, bevor wir sie ins Jenseits schicken.»
Noch ehe der Abend hereinbrach, war unser Lager errichtet. In seiner Mitte stand das Zelt Pharaos, umgeben von den Zelten seiner Leibwache. Paramessu erlaubte nur wenige Lagerfeuer und ließ nur einige Zelte für Kranke und für die Offiziere aufschlagen, denn er wollte die Hethiter über die Zahl unserer Soldaten so gut es nur ging im Ungewissen lassen.
Es war schon dunkel, als uns Tutanchamun darauf aufmerksam machte, dass jemand auf den Mauern der Stadt Lichtzeichen gab, die zweifellos den Hethitern galten. Immer wieder tauchte dort in wechselnden Zeitabständen eine Fackel auf.
«Wie nah kommen wir an ihn heran?», fragte ich Ammunira. «Er muss von dort oben verschwinden. Sofort!» Der König gab dreien seiner Soldaten ein Handzeichen, und ohne dass ein Wort gewechselt werden musste, verschwanden sie mit Pfeil und Bogen in der Dunkelheit.
«Seht!», sagte Tutanchamun und zeigte nach Norden. «Die Hethiter geben Antwort!»
Und tatsächlich erkannten sogar meine Augen auf der anderen Seite des Tales ein Licht, das in ungleichmäßigen Abständen auftauchte und verschwand. Es war nur ein wenig Zeit vergangen, seit die Soldaten losgezogen waren, da gellte ein entsetzlicher Aufschrei durch die sonst so stille Nacht. Kurz darauf tat es einen dumpfen Schlag. In dieser Nacht wagte es keiner mehr, auf den Mauern von Byblos Lichtzeichen zu geben.
Am anderen Morgen erwachte ich erst nach Sonnenaufgang. Als ich mein Zelt verließ, standen Paramessu und Ammunira bereits am nördlichen Rand unserer Hochebene und hielten Ausschau nach Freund und Feind.
«Sie marschieren auf», sagte Paramessu und zeigte dabei nach Norden. Dann erklärte er: «Ihre Aufstellung ist wie ein gewaltiger Pfeil, dessen Spitze nach Südosten zeigt. Sie wissen vermutlich schon, dass Haremhab aus dieser Richtung kommt, und machen daher ihre linke Flanke stark.»
«Diese Aufstellung werden sie aber nicht lange durchhalten können», bemerkte Ammunira, doch bevor er noch ein weiteres Wort sagen konnte, drangen aus dem Hang unter uns verzweifelte Hilfeschreie herauf, und wir hörten lautes Waffengeklirr.
«Zu den Waffen! Zu den Waffen!», rief Paramessu geistesgegenwärtig, und Ammunira schrie in seiner Sprache: «Ana šabe! Ana
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