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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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starrte er in das Gesicht des Hethiters, hörte sein Stöhnen und konnte nicht schießen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Ich sah, dass er blass wurde und schwer atmete, bis er schließlich nach dem Wagenrand griff, um sich festzuhalten.
    «Denk an deine Soldaten! Du bist Pharao. Sie warten nur darauf. Jetzt schieß endlich!»
    Doch Nassib warf den Bogen nieder, wandte sich unter Tränen ab und setzte sich auf den Boden seines Wagens, hielt sich die Hände vor die Augen und begann, verzweifelt zu schluchzen und zu weinen. Bevor ich mich ihm zuwandte, senkte ich die Hand, damit der Hethiter endlich sterben konnte.
    «Warum?», seufzte Tutanchamun, als ich neben ihm saß und ihm durch das verschwitzte Haar strich. «Warum kann ich das nicht?»
    «Weil ein Mensch etwas anderes ist als ein Tier, Nassib. Dieser wollte dich angreifen und dich töten. Du hättest recht daran getan, ihn zuerst zu töten. Es war kein Unrecht, zu schießen.
    «Ich kann es nicht», schluchzte er noch einmal und hörte nicht auf zu weinen.
    Wie hätten sie den Jüngling bejubelt, wenn er den Hethiter mit dem ersten Schuss tödlich getroffen hätte! Ein Held wäre er gewesen bis ans Ende seiner Tage.
    «Sei nicht enttäuscht», tröstete ich ihn und drückte ihn an mich. «Dein Vater konnte es auch nicht und hat sich dessen nie geschämt. Im Gegenteil: Er machte eine Tugend, ein Gebot, daraus. Doch dafür erfährt er heute Ablehnung.»
    Man ließ uns nicht viel Zeit. Amenemhet trat zu uns und sagte: «Es ist so weit, Gottesvater Eje. Pharao und Ihr müsst schnell weg von hier. Die Hethiter haben noch einmal mehr als dreihundert Soldaten in die Schlacht geschickt, und die Reihen Ammuniras weichen mehr und mehr zurück.»
    Ich wollte mich selbst davon überzeugen und bat Nassib, mitzukommen. Er wischte sich hastig die Tränen von den Wangen und ging mit mir nach vorn, wo noch immer sein Baldachin stand. Die Soldaten Ammuniras kämpften um ihr Leben, aber immer mehr von ihnen sanken getroffen nieder und ließen auf dem Schlachtfeld ihr Leben. Die Schlacht am anderen Ende des Tales schien noch immer ausgeglichen, und ich hatte beinahe den Eindruck, Haremhab hätte die Oberhand gewonnen. Aber die Lage vor uns wurde zunehmend aussichtslos.
    «Ammunira!», flüsterte Amenemhet. «Ammunira ist gefallen!»
    Ich strengte meine Augen an, so gut ich nur konnte, um etwas zu erkennen. Es dauerte nicht lange, bis die böse Vermutung Gewissheit wurde: Der abgeschlagene Kopf Ammuniras, mit seinem schwarzen Kinnbart und den geflochtenen Zöpfen, steckte auf einem langen Spieß und wurde als Kriegsbeute in den Reihen der Hethiter nach hinten gereicht.
    Die schreckliche Vorahnung Ammuniras nach dem Tod desBenu-Vogels hatte sich bewahrheitet. Dass es aber ihn selbst treffen würde, daran hatte der tapfere König von Berut wohl nicht geglaubt.
     
    Es war vorbei. In diesem Augenblick dachte ich an Amenophis. Er hätte sich jetzt den Abhang hinabgestürzt und bis zum Ende gekämpft, gleich, wie das Ende ausgesehen hätte. Vielleicht hätte ein Wort von mir genügt, und Tutanchamun hätte sich auf sie geworfen, allein um seine Ehre wiederherzustellen. Vielleicht hätten seine Pfeile Hunderte Hethiter durchbohrt, und er hätte allein die Schlacht gewendet und Ägypten zu einem glanzvollen Sieg verholfen. Aber ich sah, dass dort unten allein der Tod tausendfache Siege feiern würde. Das war es nicht, was ich seinem Vater versprochen hatte, als ich Tutanchamun vor der Pest in Sicherheit brachte. Der Tod Tutanchamuns würde nur Haremhab auf den Thron bringen. Und nur ein lebender Tutanchamun konnte eine Herrschaft des Generals, der nur darauf lauerte, das Andenken an Echnaton auszulöschen, verhindern. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo es nur noch galt, das Leben Pharaos zu retten.
    So merkwürdig es vielleicht scheinen mochte: Die Flucht Pharaos konnte vielleicht das Leben Paramessus und vieler seiner Soldaten retten. Denn wenn die Hethiter bemerkten, dass Pharao das Schlachtfeld verließ, würden sie ihm vielleicht Truppen hinterherschicken, um ihn zu ergreifen. Das wiederum wäre die Möglichkeit für Paramessu, die verbleibenden Angreifer niederzuringen oder sich wenigstens bis zu den Truppen Haremhabs durchzuschlagen.
    Ich ließ den Streitwagen Pharaos neben den Baldachin stellen und befahl, ein lautes Trompetensignal zu geben, damit die Anführer der Hethiter auf Pharao aufmerksam wurden. Für einen kurzen Augenblick schienen Tausende im Tal

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