Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
bestimmen, wo immer Ihr Euch auch aufhaltet.»
«Gleich, wo ich mich aufhalte?», fragte ich ungläubig.
«Ihr müsst natürlich die Jahreszeiten kennen. Das, was Ihr hier seht, ist die Karte des nördlichen Sternenhimmels. Wenn Ihr an Land wäret, dann bräuchtet Ihr nur die Sternenkarte über eine Landkarte zu legen, und wenn Ihr einige auffallende Stellen kennt, findet Ihr jeden Punkt wieder und könnt so genau bestimmen, wo Ihr gerade seid.»
Ich war mir nicht ganz sicher, ob das, was er mir da erzählte, der Wahrheit entsprach oder ob es erfundene Seemannsgeschichten waren. Aber meine Zweifel sollten nicht lange anhalten, denn die Angaben, die er über den Standort unseres Schiffes und über unseren weiteren Weg machte, waren allesamt zutreffend.
Am zweiten Tag nach unserer Flucht aus Byblos fuhren wir von hoher See kommend genau auf den Hafen von Berut zu.
«Sind Eure Sternenkarten alle gleich?», fragte ich unseren Kommandanten, bevor wir das Schiff verließen. Er sah mich mitleidig an und sagte: «Der Sternenhimmel ist überall der gleiche, Gottesvater Eje. Wenn jeder von uns Seeleuten eine andere Karte besäße, wären wir vermutlich nicht in Berut gelandet und Ihr dürftet mich einen Schwätzer nennen.»
Meine Frage war in der Tat dumm gewesen.
Es brauchte nicht vieler Worte, um Königin Tintir und ihrer Familie zu erklären, was geschehen war. Sie war erfahren genug, um zu wissen, dass es nichts Gutes bedeutete, wenn nur vier Schiffe unserer Flotte von offener See zurückkehrten. Als sie den Ring ihres Gemahls in meiner Hand erblickte, senkte sienur traurig den Kopf, wandte sich von mir ab und weinte still vor sich hin.
«Eure Stadt und Euer Land werden jede Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Darauf gebe ich Euch mein Wort», sagte Tutanchamun mit belegter Stimme.
«Das hättet Ihr nicht beteuern müssen, Majestät», erwiderte Tintir. «Ich weiß, wie viel Ägypten an unserem Land gelegen ist. Nur, meinen Gemahl könnt auch Ihr mir nicht zurückgeben. Stattdessen werdet Ihr in wenigen Tagen Berut verlassen und meine Tochter Katuna mitnehmen, wie es Euch Ammunira versprochen hat.»
Die Königin sah, dass sie Tutanchamun mit ihren Worten verlegen gemacht hatte, denn er bekam einen roten Kopf und blickte verunsichert zu mir. Deswegen fügte sie gleich hinzu:
«Ihr braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, Majestät. Ich weiß, dass Katuna in Ägypten ein besseres und glücklicheres Leben führen wird als hier in Berut. Lasst uns noch die Zeit der Trauer um Ammunira, und kehrt dann in Frieden in Euer Land zurück.»
Es war gut, dass wir noch einige Zeit in Berut blieben. So kamen wir alle ein wenig zur Ruhe, und die aufwühlenden Erlebnisse der letzten Tage konnten sich in uns setzen. Tag und Nacht jagten noch die schrecklichen Bilder des Kampfes und des Unwetters auf dem Meer durch meinen Kopf, und Tutanchamun wird es nicht anders ergangen sein. Sein Herz musste mit einer noch viel größeren Last zurechtkommen: dem Vorwurf, versagt zu haben.
Erst zwei Tage nach unserer Ankunft hatte ich Königin Tintir in allen Einzelheiten berichtet, was geschehen war. Ich verschwieg ihr auch nicht, dass Tutanchamun die schwere Prüfung, nach der er so begierig gewesen war, nicht bestanden hatte.
«Ich weiß», sagte ich zu ihr, als sie mich durch ihren Palast führte, «dass es ein außergewöhnliches Anliegen ist, das ich an Euch herantrage. Würdet Ihr erlauben, dass Eure Tochter undTutanchamun schon jetzt zusammenkommen? Nein, nicht was Ihr jetzt denkt! Ich meine, dass sie spazieren gehen und sich unterhalten dürfen, ohne dass sie auf Schritt und Tritt begleitet und beobachtet werden. Eine bessere Medizin kann ich mir für Pharao nicht vorstellen, als dass er alles, was ihn bedrückt, Eurer Tochter erzählt.»
Königin Tintir sah mich etwas ratlos an, als sie antwortete: «Von meinem Gemahl würdet Ihr jetzt eine barsche Ablehnung hören. Denn bei uns ist es unvorstellbar, dass sich zwei Unverheiratete derart vertraut begegnen dürfen. Aber in welchen Zeiten leben wir? Was gilt heute noch, was gestern selbstverständlich war? Morgen ist vielleicht richtig, was heute noch anstößig ist. Meine Erlaubnis habt Ihr, Eje. Ich muss aber darauf bestehen, dass jemand bei ihnen ist und sie begleitet, wenn auch in einigem Abstand. Sie sollen nicht belauscht werden, das versichere ich Euch.»
«Ich danke Euch. Ich weiß, welch große Überwindung Euch das kostet.»
«Und wie wollt Ihr das
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