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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Deckshaus zurück und sperrt auch Euren Hund dort ein, damit er nicht über Bord gespült wird.»
    Tutanchamun schob zwar Räuber in die kleine Kammer, er selbst blieb aber bei mir. «Ich würde es dort drinnen nicht aushalten!», rief er mir zu, denn schon begann das Meer im aufkommenden Sturm zu toben.
    «Nimm das Seil, und binde dich am Masten des Baldachins fest. Dann reißen dich die Wellen nicht ins Meer.»
    Wir leinten uns mit Schiffstauen an, und mit beiden Händen umklammerten wir die Reling, so fest wir nur konnten.
    Die Prüfung, die uns Seth in dieser Nacht auferlegt hatte, war entsetzlich. Es war finstere Nacht um uns. Nur das grelle Licht der Blitze ermöglichte für kurze Augenblicke den Blick auf angstverzerrte Gesichter und auf mehrere Ellen hohe Wellen, die über die Planken hinwegfegten und alles mit sich rissen, was sie erfassten. Dann war es wieder finster wie in der hintersten Kammer der Unterwelt, und wir hörten das Gebrüll des Meeres, das Tosen des Sturms und immer wieder den entsetzlichen Donner, den Seth uns entgegenschleuderte. Der Sturm peitschte uns die salzige Gischt ins Gesicht, und die Wassermassen, die auf uns einstürzten, versuchten unaufhörlich, uns mit sich fortzureißen. Ich suchte die Hand Tutanchamuns, um sie nicht wieder loszulassen. Ich hörte das Bellen des Hundes und das Pochen all der Gegenstände, die im Deckshaus umhergeworfen wurden und gegen seine Wände schlugen.
    Wie viele Stunden das Unwetter gedauert hat, weiß ich nicht. Zuletzt hingen Tutanchamun und ich mehr an den Masten des Baldachins, als dass wir gestanden hätten, so erschöpft waren wir. Aber wir lebten noch! Ja, wir hatten die Wut und die Rache Seths überlebt.
     
    Ein blauschwarzer Himmel trat hinter den nach Osten fortziehenden Wolken hervor und gab uns den Blick auf Tausende Sterne frei. Nassib befreite den ängstlich winselnden Hund aus der Kammer des Deckshauses, und die Matrosen entzündeten die wenigen trocken gebliebenen Fackeln, die sie fanden. In einiger Entfernung entdeckten wir nach und nach auch den Fackelschein dreier anderer Schiffe. Vom vierten war weit und breit nichts zu sehen, und wir mussten befürchten, dass es gesunken war. Der Kommandant stieg auf das Deckshaus und holte aus einem Versteck eine Lederrolle. Vorsichtig löste er ihre Bänderund legte die hell gegerbte Haut vor sich nieder. Ich warf einen flüchtigen Blick darauf und traute meinen Augen nicht.
    «Was ist das?», fragte ich ihn aufgeregt und zeigte mit dem Finger auf das Leder.
    «Eine Karte des Sternenhimmels, Gottesvater. Eine Karte, wie sie jeder Seemann haben muss, der aufs offene Meer hinausfährt.»
    Mit einem Mal erkannte ich, wonach ich in On so lange gesucht hatte: Ich sah einen liegenden Löwen, über dessen Haupt ein Falke thronte. Daneben einen mächtigen Stier und darunter Horus in Menschengestalt und mit Falkenkopf. Ich erkannte Thoeris, hinter der sich ein Krokodil aufbäumte, um die Göttin zu besteigen. All das, was ich in dem geheimnisvollen Schriftstück gelesen hatte, sah ich jetzt bildlich vor mir. Ich kannte seinen Inhalt noch immer auswendig und begann leise zu sprechen:
    «Dort, wo der Stier dich bedroht, erfasse sein Horn! Wo das Krokodil geil das Flusspferd besteigt, berühre den Arm der Thoeris und lasse ihn nicht mehr los. Dort, wo der Falke über dem Haupt des Löwen schwebt, steige hinab in die Tiefe. Und wo Horus den Bogen spannt, durchbohre seine Brust! Im grünen Land steht der Stier. Das Krokodil begattet Thoeris an der Pforte zur Ewigkeit. Tod ist nur dort, wo der Falke über dem Löwen kreischt.»
    Den Rest verschwieg ich.
    «Was redet Ihr da, Gottesvater?», fragte mich der Kommandant.
    «Es sind nur Worte aus einer Geschichte, die man mir vor langer Zeit einmal erzählt hat. Sie passen genau zu Eurer Karte. Aber nun fahrt fort! Ich will sehen, wie Ihr damit umgeht.»
    Er zeigte mit dem Finger erst auf den Nacken des Stiers, dann auf dessen hintere Keule. Er richtete seine Blicke nach oben und deutete mit der anderen Hand nach Norden.
    «Dort seht Ihr den ersten Stern des Stiers und etwas rechts daneben den zweiten. Dahinter steht sein Hüter. Ellbogen,Schulter, Knie, Knie. Weiter östlich seht Ihr das Sternbild der Thoeris: links ein einzelner Stern, wie er am Oberarm meiner Karte abgebildet ist, und gleich daneben sieben von Nord nach Süd angeordnete Sterne, die als Punkte am Rücken der Göttin eingezeichnet sind. So könnt Ihr beliebig fortfahren und zuletzt Euren Standort

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