Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
bewerkstelligen, ohne dass den beiden unsere Absicht auffällt? Ganz so jung sind sie nun auch wieder nicht.»
«Habt Ihr nicht einen Garten?», fragte ich sie lächelnd.
Sie nickte.
«Wenn ich mich nicht täusche, müssten jetzt die Früchte des Granatapfelbaums reif sein. Wenn Katuna heute Nachmittag einige Früchte pflücken würde, damit Ihr uns daraus einen erfrischenden Saft bereitet, würde das vielleicht manches Herz erfreuen.»
Königin Tintir schüttelte ungläubig den Kopf und sah mich nachdenklich an. Dann erhellte sich endlich ihr Gesicht, und sie fragte mich: «Seid Ihr in diesen Dingen schon immer so erfinderisch gewesen?»
Ich spitzte den Mund und sagte: «Muss ich Euch darauf eine Antwort geben?»
Es war nicht leicht, Nassib zu überreden, mit mir in den Garten zu kommen. Er hätte es vorgezogen, sich für den Rest des Tages in sein abgedunkeltes Zimmer zurückzuziehen, sich auf das Bett zu legen und wieder und immer wieder über das Geschehene nachzugrübeln.
«Es ist mir gleich, wie du dich fühlst», ging ich etwas grob mit ihm um. «Wir sind hier Gäste, und es gehört sich nicht, dass du dich als Pharao den ganzen Tag vor unseren Gastgebern versteckst. Was mag Katuna von dir denken?»
«Was hat das mit Katuna zu tun? Sie wird ohnehin vor mir versteckt. Es ist schlimm, wie man hier mit Frauen umgeht. Es wird Zeit, dass wir nach Ägypten zurückkehren.»
Der Palastgarten war uralt. Man sah ihm an, dass hier schon lange niemand mehr Hand angelegt hatte. Die Wildnis, die hier herrschte, lud dennoch zum Verweilen ein, denn in diesem ungeordneten Durcheinander von Bäumen, Sträuchern und wild wachsenden Blumen mochte man den Urzustand unserer Welt erahnen. Hier standen keine Figuren, hier gab es kein Schattenhaus, und hier liefen oder krochen keine künstlich gehaltenen Tiere herum. Dafür sah ich unzählige Arten von Schmetterlingen und hörte Stimmen von Vögeln, die ich vorher nie gehört hatte. Ein Mensch im Alter Tutanchamuns hat dafür keinen Blick. Das war bei mir nicht anders gewesen. Nur der Gesang der Nachtigallen hatte mich schon als Jüngling in seinen Bann gezogen.
Wir saßen bereits eine ganze Weile auf einem umgestürzten Baum, und ich wartete schon auf Nassibs Frage, was wir hier eigentlich wollten, da kam endlich Katuna aus dem Palast. Sie wurde von einer Dienerin begleitet, die einen Weidenkorb mit sich trug. Nassib sah nur kurz zu Katuna hinüber, um gleich wieder vor sich auf den Boden zu starren. Als dürfte ich nicht wissen, dass er für Katuna Zuneigung verspürte. Auch Katuna tat so, als hätte sie Tutanchamun nicht bemerkt.
Die Dienerin stellte den Weidenkorb neben einen Granatapfelbaum,und beide, Herrin und Dienerin, begannen, die faustgroßen rötlichen Früchte zu pflücken und in den Korb zu legen.
«Es stünde dir gut zu Gesicht, wenn du ihr deine Hilfe anbieten würdest», flüsterte ich Nassib leise zu. «Es wäre eine günstige Gelegenheit, sich einmal ungestört zu unterhalten.»
«Wie denn?», gab er missmutig zurück. «Sie kann doch kein Wort Ägyptisch.»
«Warum, glaubst du, hast du Akkadisch gelernt? Nur um mir den langweiligen Gilgamesch aufzusagen? Aber du musst dich nicht mit ihr unterhalten, wenn du nicht willst. Sie wird nur kaum ein großes Verlangen verspüren, einen so abweisenden Mann, wie du es bist, nach Ägypten zu begleiten.»
Ich hätte gewiss nicht mehr lange gebraucht, um ihn dazu zu bewegen, Katuna zu helfen oder ihr zumindest seine Hilfe anzubieten, da wurden wir von meinem Diener Ipu gestört.
«Was gibt es denn?», fragte ich ihn erkennbar missgestimmt.
Er verneigte sich demütig und sagte leise: «Ein Bote von General Haremhab ist eingetroffen. Er bat dringend darum, Euch sprechen zu dürfen.»
Welch ein durchtriebenes Weib!, dachte ich bei mir. Ich war mir sicher, dass Königin Tintir dabei ihre Hände im Spiel hatte und sie mich nur von hier fortlocken wollte, damit allein ihre Dienerin Zeugin all dessen war, was hier geschah.
Aber ich hatte mich getäuscht. Es war in der Tat ein Bote Haremhabs, der nach mir verlangt hatte.
«General Haremhab schickt mich zu Euch, Gottesvater Eje. Er hofft, dass es unserem König, er lebe, sei heil und gesund, wohl ergehe. Er lässt Euch sagen, dass die Schlacht um Byblos nicht verloren ging.»
Der Bote berichtete mir, dass unser Abzug genau das bewirkt hatte, was ich erhofft hatte: Ein Teil des hethitischen Heeres war uns gefolgt und gab so Paramessu die Möglichkeit, sich
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