Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
jeden Fremdlandes unter deinen Füßen.»
Die Menschen hier wussten nicht, was wirklich in Byblos geschehen war, und sie sollten es nie erfahren. Niemals wäre es zugelassen worden, dass Pharao nicht als siegreicher Held zurückkehrte, außer er hätte wirklich auf dem Schlachtfeld sein Leben gelassen. Tutanchamun selbst war das alles nicht wichtig. Er hat nie mehr wieder über unseren glücklosen Feldzug gegen Suppiluliuma gesprochen.
Wie gern hätten die Menschen die Prinzessin gesehen, aber als die Barken unter dem Jubel der Menge in den Hafen von Men-nefer einfuhren, wurden sie enttäuscht: Katuna wurde in einer geschlossenen Sänfte vom Schiff in den Palast gebracht, erst am Tag ihrer Vermählung durfte das Volk sie bestaunen.
Das ganze Land fieberte dem Fest entgegen. Seit sechs Jahren saß Tutanchamun nun auf dem Thron Ägyptens, doch nun war es endlich so weit, dass er allein die Geschicke der Beiden Länder in die Hand nahm. Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln, dass er auch weiterhin auf meinen Rat und auf den Rat Haremhabs und Majas hören würde. Aber jetzt waren wir es, die sich dem Willen Pharaos uneingeschränkt beugen mussten, mochte eine Entscheidung auch noch so unverständlich oder gar falsch sein. Sein Wort war Gesetz, ob es Reichtum in Fülle oder den Tod bedeutete. Jetzt bestimmte er allein, was den Geboten der Maat entsprach.
Es bedurfte keiner versteckt angebrachten Podeste mehr, damit unser Herrscher groß genug erschien. Voller Stolz zeigte erseine breiten Schultern, über welchen ein prächtiger Goldkragen lag, als er auf dem obersten Absatz der Treppe erschien, um seine Vermählung mit Katuna bekannt zu geben. Er trug die Doppelkrone und den Zeremonialbart. Seine kräftigen Hände umklammerten Krummstab und Geißel und hielten sie vor der Brust gekreuzt.
Anchesenamun, die sechs Jahre älter war als ihr Bruder, war eine reife Frau geworden. Sie wurde ihrer Mutter immer ähnlicher, und manchmal erschrak ich bei ihrem Anblick, weil ich glaubte, Nofretete wäre ins diesseitige Leben zurückgekehrt. Jetzt trug sie die Doppelfederkrone der Großen königlichen Gemahlin und ein langes, bis zu den Knöcheln reichendes weißes Gewand. Anchesenamun liebte ihren Bruder über alles, war er doch außer mir der einzige Mensch, der ihr von ihrer Familie geblieben war. Sie empfand ehrliche Freude darüber, dass ihr Bruder in Katuna sein Glück gefunden hatte. Und ich war beruhigt, dass keine Eifersucht aufkam, die die Geschwister hätte entzweien können.
Haremhab war natürlich aus Syrien zurückgekehrt, denn er wollte sich auf keinen Fall der Gefahr aussetzen, bei der Verteilung der wichtigsten Ämter übergangen zu werden, auch wenn es zur Sorge keinen Grund gab. Haremhab war und blieb der oberste Heerführer Pharaos. Nachdem ich nicht mehr Regent für Seine Majestät war, blieb mir mein alter Titel Gottesvater, und ich behielt die Stellung des Vorstehers der Streitwagentruppen Seiner Majestät. Darauf hatte ich nur aus Eitelkeit Wert gelegt. So standen die beiden Regenten von einst nicht mehr hinter dem Thron Pharaos, sondern nahmen, wie alle Übrigen Großen des Landes, vor ihm Aufstellung.
Endlich führte man Katuna in den Hof. Sie war von all ihren Dienern und Hofdamen umringt, und ein langer, tiefroter Schleier verhüllte ihr Gesicht. Tutanchamun stieg langsam die Treppe hinab und trat vor seine Braut. Wie bei ihrer ersten Begegnung im Palast von Berut, so hob er auch diesmal vorsichtig den Saum des Schleiers hoch und warf ihn gekonnt nach hinten.
«Du bist die schönste Frau, die es gibt. Isis und Mut werden erblassen, wenn du in ihrem Tempel vor sie hintrittst. Du wirst von nun an den Namen Meritre tragen, geliebt von Re. Du wirst meine Frau sein für alle Tage deines Lebens. Du wirst die Mutter meiner Kinder sein, die so zahlreich sein mögen wie die Sterne am Himmel!»
Tutanchamun küsste sie auf beide Wangen, nahm sie bei der Hand und führte sie die Treppe hinauf. Dort wurde sie von Anchesenamun mit zwei Küssen begrüßt. Danach standen sie vor ihren Thronen und nahmen den Jubel des Volkes entgegen. Tutanchamun in der Mitte, rechts neben ihm Anchesenamun und links Meritre.
Ich kann nicht sagen, dass sich für mich nach der Großjährigkeit Pharaos wirklich viel geändert hatte. Tutanchamun wollte nicht auf mich verzichten. Immer wieder beteuerte er, wie wichtig ihm meine Hilfe und mein Rat waren, und meine vorsichtig vorgetragenen Bitten, mich mehr und mehr zurückziehen
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