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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Stelle des Rechts gesetzt, noch Verkehr gepflegt mit den Bösen.»
    Osiris lächelte mich an. Dann berührte die Hand des Gottes meinen Körper! Osiris strich über meinen Kopf und lächelte mich wieder an. Hatte ich etwa Gnade gefunden vor ihm? Ja, ich musste ihn um Gnade bitten!
    «Sei mir gnädig, Osiris! Gnädig, gnädig   …»
     
    Ein unscheinbarer Luftzug umwehte meinen Kopf.
    «Heil dir, o Nut! Gewähre meiner Nase einen erquickenden Hauch!», sprach meine Seele.
    Sie begannen, mich mit Wasser zu reinigen, wie man jeden Toten reinigt, bevor man ihn öffnet und sein Inneres entfernt. Wie wohltuend waren die Wasser des Urgewässers, des Nun!
    «Mögen des Wassers Abgründe, der Wohnsitz Osiris’, sich öffnen vor mir, dass ich sie heil durchschreite! Mögen sich öffnen die Gewässer des himmlischen Nils!»
    Dann spülten sie meinen Mund aus. Köstlicher als jeder Wein der Erde war ihr heiliges Wasser. Ich fühlte die Erlösung und war bereit, in die Ewigkeit einzugehen.
    «Ich ergreife Besitz von meinem himmlischen Erbteil. Mir wurde ewiges Leben verliehen; endlose Dauer ist mir rechtmäßig Gut. Wahrlich, ich bin der Ewigkeit Erbe!», endete ich mein Gebet.
    Dann sprach der Gott, der meine Gebete erhört hatte, meinen Namen. Ja, er rief nach mir:
    «Eje!», hörte ich seine mir so vertraute Stimme.
    «Wach auf, Eje», mahnte er mich, und gehorsam öffnete ich die Augen. Wie vertraut mir das Antlitz des Gottes war! Wie jung waren seine Züge, wie leuchtend seine Augen! Doch Tränen quollen aus ihnen hervor und fielen auf mich nieder. Dann umarmte er mich, und wieder hörte ich seine Stimme: «Eje! Ich bin nicht Osiris. Ich bin Nassib! Dein Nassib! Endlich habe ich dich gefunden!»
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, ehe meine Sinne wiedergekehrt waren und mir bewusst wurde, dass ich noch nicht die Pforten zur Ewigkeit überschritten hatte. Elend war mir. Entsetzlich elend.
    Noch einmal murmelte ich einen Satz aus der geheimnisvollen Schrift von On:
    «Der Falkengott selbst wird aber den erretten, der ihn verflucht hat. Und ewig wird er von dem geliebt, von dem er einst gehasst wurde.»
    «Was hast du gesagt?», hörte ich noch die ferne Stimme Tutanchamuns, dann schwanden mir erneut die Sinne.
     
    Als ich wieder zu mir kam, kniete Tutanchamun neben mir und hielt meinen Kopf in seinen Armen. Vorsichtig goss er aus einem Becher Tropfen für Tropfen in meinen Mund.
    «Mehr!», flehte ich ihn an. «Mehr!»
    Aber er schüttelte den Kopf und sagte: «Mehr würde dich umbringen. Und ich bin froh, dass wir dich gerettet haben.»
    Ein Diener stand neben uns und wedelte mir mit einem Straußenfächer Pharaos zu, damit die Hitze erträglicher wurde. Gleichzeitig rieb der Leibarzt Pharaos meinen ganzen Körper vorsichtig mit Duftöl ein. Ich wollte Tutanchamun sagen, dass ich die Tränen des Re gefunden hatte und sie bei mir trug. Ich wollte ihm sagen, dass nur wenige Ellen hinter ihm noch viele andere im Wüstensand verstreut lagen. Doch mir fehlte die Kraft dazu. Immer wieder versuchte ich zu sprechen, doch es gelang mir nicht.
    «Streng dich nicht an!», sagte Tutanchamun leise. «Du musst jetzt gar nichts sagen. Ich bin es, der dir so viel zu sagen hätte. Für mich zählt aber jetzt nur, dass du am Leben bist und dass du mir verzeihst!»
    Ich sah noch, wie Tränen in seine Augen stiegen, dann presste er meinen Kopf gegen seinen Leib.
    «Verzeih mir, Eje!», stammelte er verzweifelt. «Verzeih mir!»
    Mit der wenigen Kraft, die ich aufbringen konnte, drückte ich seinen Arm. Er verstand.
    «Majestät», flüsterte sein Leibdiener leise. «Es ist alles vorbereitet. Ihr könnt aufbrechen!»
    Tutanchamun richtete sich wieder auf und sah sich um. «Meine Sänfte ist so vorbereitet, dass wir dich liegend tragen können. Wir dürfen hier keine Zeit verlieren, Eje.» Zu seinem Diener gewandt, sagte er: «Habt ihr seinem Diener ein Grab bereitet?»
    Der Diener nickte stumm.
    Während man mich vorsichtig auf eine Trage bettete, umklammerte ich meinen Lederbeutel, denn nicht um alles auf dieser Welt hätte ich ihn mir nehmen lassen. Aber noch immer war ich nicht imstande, etwas zu sagen. Sie brachten mich zur Sänfte Pharaos und legten mich im Schatten seines Baldachins und seiner Vorhänge vorsichtig nieder.
    Wenig später brach die Karawane auf und verließ den ödesten aller Orte, ohne dass Pharao oder einer seiner Begleiter ahnte, welchen unermesslichen Schatz sie dort zurückließen.
    Wir zogen auf demselben Weg

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