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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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nach Norden zurück, den ich gekommen war. Ich dachte darüber nach, ob ich Tutanchamun schon jetzt sagen sollte, dass ich die Tränen des Re gefunden hatte. Wenn ich ihm in Men-nefer nur die eine Träne, die ich besaß, die einzige Träne, die überhaupt ein Mensch besaß, überreichte, nur dann würde dieser Schatz wirklich einzigartig sein. Jeder weitere Stein würde die Einzigartigkeit dieses Schatzes bereits verblassen lassen.
    Nachdem abends das Lager aufgeschlagen war und ich etwas Brei gegessen und Wasser getrunken hatte, konnte ich wieder sprechen. Doch ich verschwieg ihm in meinem langen Reisebericht, dass ich seinen Befehl erfolgreich ausgeführt hatte. Er selbst hat mit keinem Wort nach den Tränen des Re gefragt.
     
    Der Tag meiner Heimkehr nach Men-nefer war der Tag meines größten Triumphes. Pharao gestattete es mir Sterblichem, nein er befahl es mir, dass ich bei ihm in der königlichen Prunksänfte, die von vierundzwanzig Nubiern getragen wurde, Platz nahm. All diejenigen, die noch vor wenigen Monaten über mich gespottet hatten, lagen im großen Hof vor dem Audienzsaal des Palastes im Staub, als wir dort Einzug hielten.
    Wenige Wochen später übergab ich meinem Herrscher das kostbarste Schmuckstück, das seit Pharao Thutmosis Aa-chepru-Re je ein Pharao besessen hatte. Die besten Goldschmiede Ägyptens formten aus der Träne des Re einen heiligen Käfer, jenes Wesen, welches auch Bestandteil des königlichen Thronnamens war. Er bildete den Mittelpunkt eines Pektorals von einzigartiger Schönheit. Der Käfer trug mit seinen Vorderbeinen aus tiefblauem Lapislazuli und mit den Spitzen seiner gespreizten Falkenflügel eine goldene Barke, die teilweise mit Türkis eingelegt war. Darin ruhte das vollkommene Auge des Horus, welches von zwei Uräusschlangen mit einer Sonnenscheibe über ihren Köpfen eingerahmt war. Über dem Auge des Horus lag eine goldene Mondsichel, und in dieser wiederum ruhte eine Mondscheibe aus reinstem Silber. Auf ihr war Pharao dargestellt undlinks neben ihm Thot, der Gott der Weisheit, und rechts Re-Harachte. Die Hinterbeine des geflügelten Chepri waren die eines Greifvogels, der in seinen Fängen sowohl heilige Shen-Ringe als auch Blumen hielt, Lotos und Lilien.
    Zwei Uräusschlangen, die mit Sonnenscheiben aus Karneol bekrönt waren, fassten das Pektorale rechts und links ein, an ihrem Körper waren auch die Ösen für die Kette befestigt. Den unteren Abschluss des Schmuckstücks bildete eine Girlande aus bunten Blüten und Knospen von Lotos und Papyrus, den Wappenpflanzen Ober- und Unterägyptens.
    Alle Bestandteile des königlichen Thronnamens waren in dem Pektorale zu finden: Der untere Abschluss konnte als das Schriftzeichen «Neb» gelesen werden, darüber prangte der «Chepri», der heilige Käfer, und über allem schwebte die Sonnenscheibe, das Schriftzeichen des Gottes «Re», mit einem Abbild Pharaos selbst in seiner Mitte.
    Vollkommener und vor allem schöner ließ sich der Name Neb-chepru-Re nicht schreiben.
    Der Herr der Erscheinungen ist Re.

FÜNFZEHN
    Mache kräftig mein Herz!
    Könnt ich mächtig werden,
    mit der Macht aller Götter,
    mit der Kraft aller Toten und aller Geister!
    Wohlan, nun bin ich kräftig im Übermaß aller Kräfte!
    Der göttlichen Ewigkeit bin ich Meister und Herr,
    deren Zügel die Gebieterin führet.
     
    S ei dem Tag, als Tutanchamun mir mein Leben, von dem ich geglaubt hatte, dass er es mir nehmen wollte, wiedergegeben hatte, war er wie verwandelt. Er wusste sehr wohl, wie schlecht er sich gegenüber Meritre und mir verhalten hatte, und bat uns beide inständig und unter Tränen um Vergebung. Nie mehr sollten wir von seiner Seite weichen, ein Tag, an dem er uns nicht sehen könnte, wäre ein schlechter Tag. Er erlaubte mir sogar, ihn mit Nassib anzusprechen, wann immer ich es wollte.
    «Nein», entgegnete ich ihm. «Das werde ich nicht mehr tun. Ich habe einen schweren Fehler begangen, als ich deinen Wunsch, vor anderen nicht mehr so genannt zu werden, missachtet habe. So musstest du das Gefühl haben, ich wollte dich noch immer wie einen Jungen behandeln, obwohl du längst der allein regierende Herrscher bist.»
    Er lächelte mich zufrieden an und zeigte mir damit, dass er froh darüber war, den Namen aus den Tagen seiner Kindheit zumindest nicht mehr aus meinem Mund hören zu müssen.
    Als äußeres Zeichen dafür, dass er jetzt einen neuen Lebensabschnittbegann, beschloss Pharao, nach Waset zurückzukehren und den Palast der

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