Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Schmerzen lindert und Euch etwas Ruhe verschafft, Majestät.»
«An welches Gift denkst du denn, Tutu? Sicher bekomme ich wieder etwas, das fürchterlich bitter schmeckt. Es war ja immer so, wenn man dich zu mir geholt hat.»
«Ihr werdet enttäuscht sein, Majestät. Diesmal bekommt Ihr von mir eine ausgesprochen angenehme Arznei: den Saft der Mandragora. Er schmeckt nicht nur gut und lindert Schmerzen; er erheitert und beflügelt Euch auf ganz eigene Art. Ihr werdet davon nicht genug bekommen können, glaubt mir, Majestät.»
Der Arzt verneigte sich mit einem freundlichen Lächeln und verließ das Schlafgemach seines Herrschers.
«Ich höre von dir», flüsterte ich ihm zu, als ich ihn zur Tür begleitete, denn Tutanchamun hätte Verdacht geschöpft, wenn wir uns draußen unterhalten hätten, während er von seinen Dienern wieder angekleidet wurde.
Am darauf folgenden Abend suchte mich Tutu in meinem Palast auf. Es war sein erster Besuch in meinem Haus, und er bewunderte deswegen lange die Sammlung meiner kostbaren Möbel und meiner vielen Steinfiguren. Am meisten aber beeindruckte ihn mein Garten.
«Du scheinst viel davon zu verstehen.» An seinen neugierigenBlicken meinte ich zu erkennen, dass es ehrliche Anerkennung war.
«Hast du auch Heilkräuter angepflanzt?»
«Nein», antwortete ich ihm. «Davon verstehe ich nun wirklich nichts. Aber weil du davon sprichst: Hat Pharao schon deinen Saft bekommen?»
«Gleich heute Morgen. Er schmeckt ihm wirklich, und das Mittel hat auch schon seine Wirkung getan. Die Schmerzen sind weg, und er ist guter Stimmung. Es besteht nur die Gefahr, dass er sich zu gesund fühlt und sich überanstrengt.»
«Und was meinst du zu seinem Zustand?»
Tutu sah mich besorgt an. Er legte die Stirn in Falten und sah erst nachdenklich zu Boden, ehe er zu sprechen begann: «Ich habe kein gutes Gefühl, Eje. Die Krankheit, an welcher er vielleicht leidet, kommt häufig vor. Aber wenn es diese Krankheit ist, dann gibt es für ihn so gut wie keine Hoffnung.»
«Nun sprich schon weiter», forderte ich ihn ungeduldig auf.
«Alles, was ich von ihm selbst und von dir gehört habe, deutet darauf hin, dass er an einem Geschwür in seinem Kopf leidet. Es ist erst klein, winzig klein, und wird mit der Zeit immer größer, was auch die Schmerzen verursacht.»
«Kann man diese Krankheit heilen?»
«Heilen?», wiederholte Tutu nachdenklich. «Wenn es sich um ein Geschwür handelt, ist eine Heilung durch Arzneien ausgeschlossen. Mir ist jedenfalls kein Mittel bekannt. Aber es gibt Geschwüre, welche sich unmittelbar unter dem Schädelknochen befinden. Und ich weiß, dass an Kranken Schädelöffnungen durchgeführt wurden, die sie auch überlebt haben. Ich habe darüber gelesen, wie man es macht, aber ich selbst habe keine Erfahrung damit. Im Grunde können wir nur hoffen, dass es etwas anderes ist, woran Pharao leidet.»
Der Saft der Mandragora tat seine Wirkung. Wenngleich Tutanchamun manchmal müde wirkte oder gar wie angetrunken, so wurden gleichwohl die Anzeichen seiner Krankheit weniger.Vor allem litt er keine Schmerzen. So machte ich mir alle Hoffnung, dass er bald wieder genesen würde und sich die schlimmen Ahnungen Tutus nicht bewahrheiteten.
Es war die Zeit, da endlich überall im Land der Mohn in voller Blüte stand. Die Felder rings um Waset waren kurz davor, ihre zartes Grün gegen ein sattes Goldgelb zu tauschen, um wenige Wochen später, wenn die Kornblumen neue, tiefblaue Farbtupfer in die Landschaft brachten, abgeerntet zu werden. Die Schreiber bereiteten die Listen für die Ernteerträge vor, die Landvermesser durchschritten noch einmal Feld für Feld, damit sich niemand vor Abgaben drücken konnte, die Bauern schärften ihre Sicheln, und die Mägde reinigten die Getreidespeicher.
Tutanchamun saß in einem bequemen Sessel auf der Terrasse seines Palastes und sah mit mir hinab auf die Stadt, den Nil und die Felder, die ihn säumten. Wir sahen den Tempel der Millionen Jahre seines Großvaters Amenophis, und links neben uns sahen wir auf eine Baustelle, auf welcher außer ersten Fundamentarbeiten noch nicht viel zu sehen war. Dort entstand der Tempel der Millionen Jahre Tutanchamuns.
«Sie werden nicht fertig werden», sagte er mehr zu sich, als dass es für meine Ohren bestimmt gewesen wäre.
«Er wird größer und prächtiger als der von Osiris Amenophis», widersprach ich ihm.
«Du brauchst mich nicht zu trösten, Eje. Ich weiß, wie es um mich steht. Es ist nicht
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