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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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nach oben zeigte. Einer der jungen Ärzte hielt unentwegt die linke Hand Pharaos, um dessen Puls zu fühlen. Während die einen begannen, seinen Kopf zu scheren, legte Tutu eine Reihe Furcht erregender Geräte zurecht. Ich wollte das alles nicht sehen und wendete mich ab. Ich setzte mich in eine Ecke des Zimmers und betete zu den Göttern. Doch immer wieder musste ich hinüberblicken und sah, wie Locke um Locke zu Boden fiel.
    Plötzlich wurde der junge Arzt, auf dessen Schoß der Arm Pharaos lag, kreidebleich.
    «Ich fühle keinen Puls mehr», flüsterte er seinem Meister zu. Der Leibarzt hielt inne und sah seinen Helfer schweigend an. Doch dieser schüttelte verneinend den Kopf und wiederholte: «Es ist so, Meister. Ich fühle keinen Puls mehr. Überzeugt Euch selbst!»
    Ohne ein Wort zu sagen, griff Tutu nach der rechten Hand Tutanchamuns, und während ich zu ihm kam, schüttelte auch er den Kopf und ließ den Arm langsam niedersinken.
    «Er wollte das nicht mehr über sich ergehen lassen. Er hat seinen Willen durchgesetzt und ist uns zuvorgekommen. Pharao ist tot!»
    Ich starrte auf das kleine Muttermal auf dem nackten Rücken Tutanchamuns und erinnerte mich der Worte jenes Magiers aus Chmenu: «Die Wahrheit wirst du nie erfahren!»
    Es war vorbei. Eine unendliche Leere überkam mich. Ich konnte nicht weinen, denn zu viele Tränen hatte ich in meinem Leben für all die Toten vergossen, die vor mir gegangen waren. Hätte er mich doch in der Wüste sterben lassen! Was war meinLeben noch wert, jetzt, da auch er nicht mehr lebte, den sie die wieder erstandene Hoffnung Ägyptens genannt hatten? Wie sollte es jetzt weitergehen? Wer würde jetzt kommen? Haremhab?
    Ich sah hinüber zu Anchesenamun, die fassungslos auf den Toten starrte und nicht wahrhaben wollte, was sie soeben erlebt hatte. Schreckliche Gedanken plagten mich in diesen Augenblicken. Gedanken, die man nicht hegen sollte, wenn das Liebste, das man besaß, gerade erst aus dieser Welt gegangen war. Ich sah, wie Tempel eingerissen wurden. Ich sah, wie das Grab Echnatons und Nofretetes aufgebrochen und ihre Leiber geschunden und verbrannt wurden. Ich sah Steinmetze, wie sie allerorts die Namen derer aushackten, die ich liebte. Und ich sah Haremhab mit Doppelkrone, Krummstab und Geißel.
    Armes Mädchen, dachte ich bei mir. Du wirst seine Große königliche Gemahlin werden, denn er braucht dich, um seinen Anspruch auf den Thron zu rechtfertigen.
    Aber warum er? Gab es nicht zwei Männer, die einen berechtigten Anspruch darauf hatten, den Thron Ägyptens zu besteigen? Ja, es gab zwei: mich und Haremhab.
    Die Helfer Tutus legten den Toten auf den Rücken. Wie friedlich er dalag! Ja, er sah zufrieden aus.
    Auch sein Andenken würde Haremhab auslöschen. Er würde alles vernichten, was an Echnaton und dessen Familie erinnerte. Zu sehr war ihm Echnaton verhasst.
    «Willst du nicht die Priester rufen?», mahnte mich der Leibarzt leise.
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Warte noch einen Augenblick!», bat ich ihn. «Und trage Sorge dafür, dass niemand den Raum verlässt. Hörst du: niemand!»
    Ich trat ans Fenster und sah hinaus. Dunkel war es geworden. Nacht herrschte über Ägypten. Finstere Nacht. Gab es irgendeinen Grund, der es rechtfertigte, dass ich statt seiner nach derKrone Ägyptens griff? O ja, es gab ihn! Wenn ich eine Aufgabe hatte, dann war es die, dass ich Haremhab daran hinderte, das Andenken an die Königsfamilie zu vernichten. Ich sah sie vor mir, die Krone: Weiß und rot war sie. Und ich sah den Thron. Stand er nicht mir zu?
    Haremhab kann warten! Viel Zeit wird mir ohnehin nicht bleiben. Aber sie wird reichen, um sie alle vor dem Schrecklichsten zu bewahren. Er wird ihre Leiber nicht schänden! Ich werde dich bestatten, Tutanchamun, wie es Maat entspricht. Ich werde bestimmen, was Maat entspricht. Ich, Pharao Eje!
    Ich wollte es so.
    «Keine Priester!», sagte ich. «Keine Priester. Nicht jetzt. Wartet einen Augenblick hier.»
    Ich verließ schnell das Schlafgemach und ging zu einem Offizier der Leibgarde.
    «Der Gesundheitszustand Pharaos hat sich verbessert», log ich ihn an. «Er wünscht Mahu und Maja zu sehen. Schnell, so schnell es geht, bring beide hierher! Nimm den Siegelring, damit man euch hereinlässt.»
    Er schöpfte keinen Verdacht und verließ sofort den Palast.
    Ich dagegen kehrte zurück in das Schlafgemach Pharaos und sagte: «Wartet noch ein wenig hier. Ich muss mit der Großen königlichen Gemahlin sprechen.»
    Ich winkte

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