Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
nötig, dass ich dir und Tutu bei euren geheimen Beratungen zuhöre. Ich habe eine innere Stimme. Sie erzählt mir alles und verheimlicht mir nichts.»
Er lächelte mich an und zeigte mir dabei seine großen Zähne. Erst jetzt war mir aufgefallen, wie sehr er an Gewicht verloren hatte.
«Es wird gut werden, Tutanchamun. Du wirst sehen! Es wird gut.»
Ich kniete neben ihm nieder und nahm ihn in meine Arme. Ich drückte ihn fest an mich.
«Wenn es so weit ist», schluchzte er leise, «dann lasst mich in Frieden sterben. Die Mandragora tut ihre Wirkung, und das ist mir genug.»
Wenig später schlief er neben mir ein. Ich befahl seinem Diener, ihn schlafen zu lassen und ihn erst eine Stunde vor Sonnenuntergang zu wecken, damit wir gemeinsam speisen konnten.
Am Abend warteten Anchesenamun und ich bereits ungeduldig, als ein Diener auf uns zulief, vor uns niederfiel und sagte: «Der Gute Gott wacht nicht auf!»
«Was heißt das, er wacht nicht auf?», fragte ich ihn aufgeregt, denn ich hatte nicht begriffen, was er meinte.
«Der Gute Gott atmet, aber er wacht nicht auf.»
«Holt sofort Tutu!», befahl ich dem Diener und eilte mit Anchesenamun auf die Dachterrasse zu Tutanchamun. Er lag in seinem Sessel, wie ich ihn vor Stunden verlassen hatte, und schien friedlich zu schlafen.
Ich rüttelte an seinem Arm und rief: «Tutanchamun! Wach auf, Tutanchamun! Hörst du mich nicht? Nassib, du musst aufwachen!»
Aber kein Mundwinkel zuckte, und kein Augenlid bewegte sich, sosehr ich auch an seinem Arm rütteln mochte.
«Bringt ihn in sein Schlafgemach!», befahl ich den umherstehenden Dienern, die sich ratlos ansahen, weil sie nicht wussten, wie sie das auf einfache Art bewerkstelligen sollten.
«Nehmt ihn bei Armen und Beinen, greift unter seinen Körper, haltet seinen Kopf und tragt ihn hinein», sagte ich ungeduldig. Sie mussten eine entsetzliche Angst gehabt haben, dass er plötzlich erwachen könnte.
Wenig später erschien auch Tutu mit zwei Gehilfen im Schlafgemach Pharaos. Er fühlte den Puls Pharaos, legte die Hand auf dessen Stirn und beobachtete den Atem.
«Es hat sich wohl bewahrheitet, was ich befürchtet hatte. Ich zweifle jetzt nicht mehr daran, dass es ein Geschwür in seinem Kopf ist, das ihn quält.»
Ich sah hinüber zu Tutanchamun und erinnerte mich seiner letzten Worte: «Dann lasst mich in Frieden sterben.»
«Gibt es Hoffnung auf Rettung?», fragte ich Tutu knapp.
Er überlegte nicht lange. «Was ich dir bereits sagte: Ich kann den Schädel öffnen und versuchen, das Geschwür zu entfernen. Der Erfolg hängt aber ganz davon ab, wo sich das Geschwür genau befindet.»
«Wird er etwas davon spüren?», fragte ich Tutu. Der Arzt schüttelte den Kopf. «Nein. In dem Zustand, in dem er sich jetzt befindet, ist das ausgeschlossen.»
«Was geschieht, wenn du nichts unternimmst?»
«Er hat noch wenige Tage. Vielleicht nur wenige Stunden. Ich kann es dir nicht sagen. In jedem Fall wäre seine Lebenszeit aber bald abgelaufen.» Seine Antwort war eindeutig und zwang mich zu einer raschen Entscheidung.
«Bereite alles vor! Ich bespreche mich mit Anchesenamun.»
Die Große königliche Gemahlin nahm meine Worte gefasster auf, als ich erwartet hatte. Sie war in den letzten Wochen viel mit Tutanchamun zusammen gewesen und hatte wohl schon länger geahnt, wie schlecht es um ihn stand.
«Meinst du wirklich, dass es richtig ist, was Tutu vorhat?», fragte sie mich, nachdem ich ihr von meinem Gespräch mit dem Leibarzt Pharaos berichtet hatte.
«Ich weiß um deine Bedenken. Selbst wenn er mein eigener Sohn wäre und nicht Pharao, würde ich ihn in Frieden hinübergehen lassen. Du weißt aber, mit welchen Männern wir es zu tun haben werden. Ich will nicht, dass man dir oder mir den Vorwurf macht, wir hätten nicht alles unternommen, um das Leben Pharaos zu retten. Nur darum geht es mir. Und vielleicht geschieht ein Wunder, und der Eingriff gelingt.»
«Möge es gelingen!», sagte sie leise, und Tränen standen in ihren Augen.
«Möge es gelingen!», wiederholte ich.
Bevor Tutu begann, ließ ich den gesamten Palast der leuchtenden Sonne und im Besonderen die Gemächer Pharaos von der Leibgarde abriegeln. Niemand durfte mehr den Ort verlassen, an dem er sich gerade befand. Es gab bis auf weiteres kein Herein und kein Heraus mehr ohne meine besondere Erlaubnis.
Der Arzt erklärte mir kurz, was er zu tun gedachte. Wenig später drehten seine Gehilfen den Bewusstlosen um, damit der Hinterkopf
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